Die Oellerreichisch-Ungarische Monarchie. (Inli 10—21.) 219
Polen halten es indes doch für rätlich, Kaminski zu veranlassen,
von seiner Wiederwahl in den Neichsrat keinen Gebrauch zu machen
und von der politischen Bühne zu verschwinden.
10. Juli. (Tirol.) Landtag: 36 klerikale Abgeordnete geben
neuerdings eine Erklärung bez. des „unverwirkbaren Rechtes Tirols
auf Glaubenseinheit“ ab. Wildauer protestiert namens der liberalen
Minderheit gegen die darin liegende Unduldsamkeit und überhebung
und gibt eine Gegenerklärung ab.
10.—21. Juli. (Dalmatien.) Landtag: die Kroaten prokla-
mieren unverhüllt das großkroatische Programm und stürmen gegen
den Statthalter, den Feldzengmeister Ivanovic, der, obgleich felbst
Slave, die deutsche Sprache als Amtssprache aller höheren Beamten
entschieden als eine ganz unumgängliche Notwendigkeit aufrecht hält,
an. Die Regierung sieht sich dadurch veranlaßt, den Landtag jäh
zu schließen.
12. Juli. (Böhmen.) Landtag: Wahl des Landesausschusses:
dieselbe fällt auf 3 Czechen, 2 czechischgesinnte Großgrundbesitzer und
3 Deutsche. Die Czechen machen die Wahl eines dritten Deutschen
als große Konzession und als Beweis ihrer Versöhnlichkeit geltend;
die Deutschen schlagen sie jedoch nicht hoch an, da sie für die Czechen
in der That ganz ungefährlich ist.
13. Juli. (Ungarn.) Eine Gesellschaft von ca. 150 Nadi-
kalen, Schriftsteller und Nicht-Schriftsteller, meist dritten und vierten
Nanges, machen mit Umgehung Deutschlands durch Oberitalien eine
Art von Pilgerzug nach Paris, um mit den Frangosen gegen Deutsch-
land zu fraternisieren.
18. Juli. (Oesterreich.) Der Wiener Gemeinderat lehnt
einen Antrag, am 12. September ein großes Volksfest zur Feier des
200jährigen Jubiläums der Befreiung Wiens von der Belagerung
durch die Türken zu veranstalten, mit 11 gegen 25 Stimmen ab
und beschließt, daß nur eine ernste Feier auf dem Kahlenberg statt-
finden solle. Der Beschluß will die Unzufriedenheit Wiens mit den
gegenwärtigen Zuständen zum Ausdruck bringen und erscheint somit
als eine Art Mißtrauensvotum gegen das Regime Taaffe. Die
offiziöse Presse gerät darüber in hochgradigen Zorn.
21. Juli. (Oesterreich.) Der Gemeinderat von Wien be-
schließt eine Immediateingabe an den Kaiser gegen die Dezentrali=
sation der Eisenbahnen, in der er seine Befürchtungen bez. der Folgen