Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

224 Die Orsterreichisch-Angarische Monarchie. (Aug. 8 —II.) 
Presse nachträglich Der „Pokrok“ konstatiert: „Einen stürmischen Wider- 
spruch, ja Unwillen, wie wir ihn im böhmischen Landtage schon lange nicht 
* rief die Idee hervor, daß Vöhmen in zwei nationale Teile getrenut 
werde. Wer dessen nicht Zeuge war, der kann sich den Sturm des Wide 
spruchs gar nicht vorstellen, welchen dieser Gedanke erregte." „Narodni s 
aber meinen, man sollte glauben, die „Regierung würde den HH. Deutschen 
den Standpunkt klar machen, daß ihnen für immer die Gelüste auf ein 
nördliches Trentino mit der Zugehörigen „Irredenta“ vergehen. Auch sollte 
diese Agitation für die Errichtung einer ersten preußischen Etappe in 
Böhmen die Regierung zur Abstellung aller „Ungerechtigkeiten“, denen das 
chechische Volk in Böhmen, Mähren und Schlesien ausgesetzt sei, vveranlassen, 
weil dieselben das geirzige patriotische Element schwächen, welches der natür- 
liche Hüter und Verteidiger der Integrität der ganzen Nordwestgrenze der 
Monarchie sei. Statt dessen hätlen die Regierung und die Czechen stets nur 
den Deutschen willfahrt. Die purste Versöhnlichkeit sei die Parole der Nach- 
kommen der Taboriten geworden; sie seien zu Fanatikern des Friedens mit 
den Verfassungstreuen geworden und damit in die heutige falsche Position 
geraten. Wenn der czechischen Nation ihr Recht werden solle, so könne es 
nur über die Köpfe der deutschen Koterie hinweg geschehen. Heute müsse es 
der Nation klar werden, was sie gegenüber der unversöhnlichen deutschen Hege- 
monie zur Verleidigung ihrer Sprache, Ehre und des Vaterlaudes thun 
müsse, aus heiliger Verpflichtung gegen die Hundert-Millionen= 
Familie der Slaven.“ 
8.—9. August. (Oesterreich-Ungarn.) Der deutsche Kaiser 
besucht wie alljährlich auf seiner Rückreise von Bad Gastein die 
österreichische Kaiferfamilie in Ischl. 
8. August. (Ungarn.) Auch in Pest bricht eine kleine Juden- 
hetze aus, die jedoch von der Polizei unterdrückt wird, die zahlreiche 
Verhaftungen vornimmt. 
9. August. (Galigien.) Der Kaiser genehmigt endlich die 
schon wiederholt verlangte Entlassung des Statthalters Grafen Potocki 
und ernennt an seine Stelle den Statthalterei-Bizepräsidenten v. Za- 
leuski. 
10. August. (Oesterreich.) Einer Demonstration der radikal- 
sozialistischen Arbeiter vor dem Poligeigebäude in Wien wird durch 
rasches und energisches Eingreifen der Poligei, die von der blanken 
Waffe Gebrauch macht, ein Ende gemacht. Die Arbeiter beklagen 
sich, daß die Behörden allzustreng mit ihnen verführen, daß viele 
von ihnen ohne genügenden Anlaß verhaftet würden, daß man ihnen 
gegenüber das Briefgeheimnis verletze, daß ihr Organ „Die Zukunft" 
fast regelmäßig mit Veschlag belegt werde und daß neulich ein so- 
zialistischer Agitator plötzlich „verschvunden“ und entweder aus- 
geliefert oder gar beiseite geschafft worden sei. 
II. August. (Böhmen.) Schluß des Landtags. 
Die Verföhnung der Gegensäte ist guch durch die Session des Land- 
tags jedenfalls nicht gefördert worden. Dies zeigte sich namentlich bei der
	        
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