Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Die Cersterreichisch-Ungarische Monarchie. (Sept. 11.) 231 
kroatischen Reiches wird von den ertreinen Parteien und Partei- 
führern beider Länder eifrig fortbetrieben. 
Das halbamtliche Blatt der dalmatinischen Landesregierung, der „Tal- 
mata“, bringt eine Darstellung, in welcher der Zusammenhang der jüngsten 
Vorgänge im Landlage zu Zara und der Greignisse in Kroatien nachgewiesen 
wird. Der kroatische Abg. Folnegovics weilte im Frühjahr in Dalmatien; 
in Spalato wurde eine Konferenz der kroatischen Abgeordneten Dalmatiens 
abgehalten und das Programm der Agitation entworfen, welche die Ver- 
einigung von Kroatien, Slavonien. Dalmatien. Bornien und der Herzegowina 
und die Losreißung dieses Großlroatien aus dem Verbande der Stephans- 
krone durchsetzen sollte. In Dalmatien sieht der kroatische Abg. Paulinovirs 
au der Spitze der Bewegung und hält im Interesse derfelben zahlreiche Ver 
sammlungen in Istrien. Paulinovics macht kein Geheimnis aus den kroali- 
schen Bestrebungen und iagt ganz offen, daß der einzige Verband wischen 
Großkroatien und Oesterreich-Ungarn die Personalunion sein soll. Fast zu 
gleicher Zeit, als Paulinovics dieses Programm darlegte. erschien von einem 
Führer der kroatischen Landtagemehrheit in Agram ein ähnlicher Artikel in 
der kroatisch-ofsiziösen Agramer Zeitung, der ein beinahe gleichlautendes Pro- 
Kramm entwickelte und erklärte, dasfelbe sei der Traum eines jeden Kroaten. 
Der dalmakinische Landtag wurde plötzlich geschlossen; in Agram brachen Un- 
ruhen aus. Die Agitation und der Zusammenhang zwischen beiden Ländern 
werden aber eifrig weitergepflegt. An diesem Tage findet in Spalato eine 
Konferenz zwischen den kroatischen Abgeordneten von der Partei Starcevics, 
Gostisa, Sariciclas und Kleckaweki und den dalmatinischen Abgeordneten 
Klaic, Biancovics und Paulinovics statt. 
11. September. (Ungarn: Kroatien.) Tisza konferiert in 
Pest mit einer Anzahl kroatischer Notabeln. Die ungarische Regie- 
rung verkennt den Ernst der Lage nicht, will die Dinge doch nicht 
auf die Spitze treiben und scheint vielmehr zu Konzessionen geneigt. 
Tisgoa erklärt: Ein alle Teile befriedigender Ausgleich sollte doch ge- 
funden werden können. Nur ungern habe sich die Regierung dazu ent- 
schlossen, außerordentliche Maßregeln zu ergreifen; dieselben waren jedoch 
durch die Ereignisse und zur Wahrung der Antorität des Staates geboten. 
Die Negierung werde ihrerseits alles aufbielen, um unter Mitwirkung des 
Reichstages in einer jowohl den Wünschen der Kroaten als dem Ansehen des 
Staates entsprechenden Form die Lösung der . Wappeufrage in der Weise her- 
beizuführen, daß die hierauf bezügliche in übung gewesene Praxis aufrecht= 
erhalten bleibe. Dies könne aber nicht früher geschehen, als bis einerseits 
in Kroatien wieder eorducte Verhältnisse herrschen, andererseits bis diese 
Lösung vom Parlamente ausgegangen. Bie dahin müfien, die doppelsprachigen 
Wappenschilder unbehelligt an ihrem bisherigen Platze bleiben. Die kroa- 
tischen Vertraueusmänner erklären dagegen die sofortige Beseitigung der 
neuen und die Wiederherstellung der alten Wappenschilder mit ausschließlich 
kroatischer Aufschrift für durchaus nolwendig, um die G Gemüter zu bernhigen, 
und die Bert tröstung auf einen Beschluß des ungarischen Parlamentes für 
sehr gefährlich. Die öffentliche Meinung stehe in Kroatien in dieser Frage 
wie Ein Mann zusammen und die an dem Zusammenhange mit Ungarn 
esthaltende kroatische National= und bisherige Regierungspartei verliere ohne 
lene Maßregel von Tag zu Tag mehr an Ansehen und Einfluß. Auch sei 
es sehr zweifelhaft, ob die kroatischen Abgeordneten ohne sie in der Lage sein 
würden, sich am ungarischen Reichstage auch nur zu beteiligen.
	        
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