Die Oetterreichisch-Angarische Monarchir. (Olt. 23.) 237
Die Wahlverifikationen sind beendigt, verliefen aber bez. der gegen
die Ruthenen durchgedrückten Wahlen bis zu Ende wahrhaft fkandalos. Nach-
dem es so den Polen gelungen, die ruthenische Vertretung im Landtag auf
weniger als ein Dutzend Stimmen herabzudrucken, wird an die Stabilisierung
der polnischen Herrschaftd in den Gemeinde= und Bezirksvertretungen geschritten.
Dahin zielt der vom Landlag tron der Einwendungen der Ruthenen mit auf-
fallender Hast sofort auch in dritter Lesung zum Beschluß erhobene Autrag.
wonach die Mandatedauer der Gemeinde= und Bezirlsvertretungen von drei
auf sechs Jahre verlängert wird. Dadurch soll nach der Versicherung Gro-
cholskis die Antorität der Gemeinde= und Aezirk= orsteher erhoht werden.
Man weiß aber, in welchem Sinne die genannten Orgaue der autonomen
Verwaltung ihre „Antorität“ geltend machen. Sie betrachten die Polonisie-
rung als ihre Hauptausgabe, und so wird er klar, warum man polnischer-
jeits so viel Gewicht auf eine Stärkung des Ansehens dieser Funktionäre legt.
Die merkwürdigste Probe von NRespelt für die nationale Gleichberechtigung
gibt der Landmarschall Zyblikiewicz. der nicht einmal mehr die Verlesung
eines ruthenischen Antrages im galizischen Landtage zulaßt, weil angeblich
die offizielle Verhandlungs esprache des Landtages die polnische sei! Zur Zeit,
als kein einziger Czeche im böhmischen Landtage saß und die Spracherwerord-
nungen noch nicht erfunden waren, wurde dort gewissenhaft jede Verhand-
lung zweisprachig geführt und jeder Antrag deutsch und czechisch verlesen.
Im galizischen Landtage dekretiert der Landmarschall, daß das Polnische die
offizielle Verhandlungssprache sei! Galizien hat allmählich eine Stellung im
Reiche erlangt, die von derjenigen der übrigen Kronländer total und angen-
fällig verschieden ist. Die Wünsche der Polen gehen jedoch noch viel weiter.
So sollte im Landtage eine von Tausenden von Bürgern untersertigte Petition
eingebracht werden, welche die Organisation eines polnischen Scharsschützen-
korps und eines Landsturmes verlangt. Die Petenten behaupten, als ob es
keine, österreichische Armee und keine Festungen in Galizien gäbe, daß Galizien
dem überfalle Rußlands wehrlos ausgeseht sei, und versichern weiterhin, daß
die Polen in Ermanglung einer Nationalhceres wenigstens durch derartige
Jnstilutiouen ihre Dieziplin wiederherstellen und ihren historischen Traditionen
gerecht werden müßten. Natürlich wird für die zu bildenden Korps polnische
Unisormierung und polnisches Kommando verlangt. Nur im Kriegsfalle soll
die Militärbehörde den betreffenden Korps elwas Zu besehlen haben. Das
wäre eine förmliche polnische Honvedarmee nach ungarischem Muster. Derlei
ist freilich ganz und gar unmöglich, wosern nicht Oesterreich erklären will,
daß es vor der Außerachtlassung jeder Rücksicht gegen Nußland nicht mehr
zurückschrecke. Das sehen doch auch die Führer der Polen ein. Die Frage
erregt eine Zeit lang in Galizien großen Nummel, mletzt aber wird die
Petition unterdrückt, bevor sie dem Landtag eingereicht wird.
23. Oktober — 14. November. (Oesterreich-Ungarn.) Session
der Delegationen in Wien. Ansprache (Thronrede) des Kaisers. Be-
ratung des Budgets für 1884. Erörterungen über die auswärtige
Politik. Darlegung der Verhältnisse Bosniens durch Minister
v. Kallay.
Die gemeinsame Negierung hat alle Ursache, mit dem Resultat der
Session sehr zufrieden zu sein. Das Bu dget wurde ihr fast ohne allen Ab-
strich bewilligt. Dasselbe beziffert sich aai 115,116,822 Gulden; der Vor-
anschlag der Negierung war nur um 54,047 Gulden höher. Auch an dem
Okkupationskredite für Bosnien wurden nur 110,000 Gulden gestrichen.
Von Juteresse ist dabei ein Rückblick auf die für PBosnien bis anhin be-