Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Die OGeterreichisch-Ungarische Monarchie. (Ende Tez.) 217 
— Dezember. (Oesterreich und Ungarn.) Der Sieg der 
Magnaten im ungarischen Oberhause über Tisza und den Liberalis- 
mus scheint den Feudalen ganz den Kopf verrückt zu haben. Zu 
der bevorstehenden zweiten Entscheidung des ungarischen Oberhaufes 
über die Civilehe wollen auch eine Anzahl österreichischer Kavaliere 
hingehen, deren Familien f. Z. einmal die Würde ungarischer Mag- 
naten erteilt worden ist, obgleich sie heute in Ungarn weder begütert 
sind noch sich bisher je um ungarische Dinge bekümmert haben, 
lediglich um in reaktionärem Sinne zu demonstrieren. 
— Dezember. (Oesterreich.) Der Reichsratsabg. Hofrat 
Lienbacher, einer der Führer der deutschen Ultramontanen, der schon 
voriges Jahr demonstrativ aus dem Verbande des Klubs Hohen- 
wart ausgetreten ist und seither nur noch als Wilder mit der 
Reichsrats-Rechten gegangen ist, scheint eine neue Evolution vorzu- 
bereiten und gegen die Rechte für die Anerkennung der deutschen 
als österreichischen Staatssprache eintreten zu wollen. 
Lienbacher veröffentlicht in Salzburg eine Vroschüre „Osfsenes Worl 
an die Bauernschaft", in der er seinen Wählern die Bersicherung gibt, daß 
die deutsch-konservativen Abgeordneten niemals das wahre Interesse der deutschen 
Nationalität verkennen und niemals zum Schaden der deutschen Nation hau- 
deln werden, selbst wenn ein Kompromiß zwischen den konservativen und 
liberalen Deutschen, ähnlich wie er #wischen konservativen und liberalen 
Nichtdentschen besteht, nicht geschlossen, ja nicht einmal gesucht wird. Es 
wird eingestauden, daß den deutsch-konservativen Abgeordneten ihre Partei- 
rinheit mit den Nichtdeutschen äußerst unbehaglich geworden sei, seitdem in 
den Ländern mil gemischten Nationalitäten der nationale Kampf zwischen 
Deutschen und Richtdeutschen so heftig entbrannte, und daß es seitdem den 
Deutsch-Konservativen als Deutschen sehr schwer wurde, sich völlig eins mit 
den Nichtdeutschen zu fühlen und sich mit diesen zu voller Parteieinheit Zu 
verbinden. Er ist bekannt, daß sich das Unbehagen bei Lienbacher und zwei 
anderen Genossen, Dr. Fuchs und Neumayer, so steigerte, daß sie aus dem 
Parteiverbande der Rechten austraten, um nach allen Richlungen freie Hand 
zu haben. Offenbar beginnt das deutsche Nationalgefühl bei den Bauern 
der Alpenländer, das voriges Jahr erwacht war, als eben Lienbacher und 
Genossen aus dem Parteiverband auslralen, sich nun auch bereits zu regen 
und der Kampf der Deutschen in Böhmen wirft schon bis Salzburg und 
Tirol seine Wellen. 
— Dezember. (Krain.) Das siändige Exekutivkomité des 
nationalen Klubs des krainischen Landtages veröffentlicht den Wort- 
laut einer von sämtlichen 23 Abgeordneten der Rechten angenom- 
menen Erklärung. 
Das Dokument wird an den Ministerpräsidenten abeeiendet und lautet 
in der übersetzung wic jolgt: „Mit Rücksicht darauf, daß die slovenischen 
Abgeordneten die gegenwärtige Regierung seit ihrem Antritte in allen Ver- 
tretungskörpern treu und loyal unterstützt und alle Regierungsvorlagen ohne 
Widerrede votiert haben; in Erwägung, daß sie dies alles gethan haben, weil
	        
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