Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

krankrtich. (Sepi. 20 Alni. Ctt. 317 
gebenden Feste und alle Voraussicht über seinen mulmaßlichen Em- 
pfang in Paris über den Hausen. Der Umstand, daß ihm der 
beutsche Kaiser die Inhaberschaft eines deutschen und noch dazu in 
Straßburg garnisonierenden Ulanenregiments verliehen und daß der 
König sich erlaubt hat, den Manövern sofort auch in der Uniform 
dieses deutschen Regiments beizuwohnen, wird von der Pariser Presse 
geradezu als Verbrechen der verletzten Majestät Frankreichs betrachtet 
und die öffentliche Meinung in jeder Weise gegen den „Ulanenkönig“ 
aufgestachelt. Von einem populären Empfang ist keine Nede mehr, 
kaum mehr von einem freundlichen oder wenigstens achtungsvollen. 
29. September. Ankunft des Königs von Spanien in Paris. 
Zu seinem Schutze sind keinerlei besondere Maßregeln getrosfen, ob- 
gleich unliebsame Zwischenfälle vorhergesehen werden mußten. Der 
ganze Weg vom Bahnhof bis zum spanischen Botschaftshotel ist von 
dichten Menschenmassen im Frack und in der Blonfe besetzt, die den 
König fortwährend verhöhnen und mit spöttischen Zurusen verfolgen; 
wenig fehlt, so wäre er thatsächlich insultiert worden. Und dasselbe 
wiederholt sich, als er sofort dem Präsidenten Graoy im Elyste seinen 
Besuch abstattet, auf dem Hinwege und Rückwege. Grvy erwiedert 
den Besuch am folgenden Tage, entschuldigt offiziell das Vorgefallene 
bestmöglich und bittet den König, trotzdem das Galadiner im Elysce 
anzunehmen. Der König willigt ein, verläßt aber dann schon 
Montags früh Paris wieder, um nach Spanien zurückzukehren. Es 
wird allgemein anerkannt, daß sich der König mit großem Takt 
und Würde benommen habe. 
Anf. Oktober. Die geradezu ungualifizierbaren Vorgänge in 
Paris gegen den König von Spanien, die von der öffentlichen Mei- 
nung, man kann wohl sagen ganz GEuropas, verurteilt werden, 
scheinen doch alle besonneneren Franzosen zum Nachdenken gebracht 
und ihnen die Augen geöffnet zu haben, worauf eigentlich die Massen 
lossteuern und auf welchem Wege sich Frankreich befindet. Ferry 
und die französische Regierung wurden dabei doch in der beschämend- 
sten Weise vor ganz Europa bloßgestellt. Ferry scheint sich daher 
entschlossen zu haben, bei der ersten Gelegenheit mit den Radikalen 
zu brechen und die Zügel der Regierung fester zu fassen. 
Man charakterisiert die unausgesetzt das Land durchtobenden politischen 
Kämpfe wohl am richtigsten damit, wenn man sie als das Ringen der Massen, 
nicht nur nach höheren politischen Freiheiten und Rechten im Nahmen der 
republikanischen Verfassung, sondern mehr noch als den nie ermüdenden Ver- 
such betrachtet, die Grenzen der Nepräsentativverfassung überhaupt zu sprengen,
	        
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