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auf Kapital, Eintommen oder dergleichen, werden von keiner Seite vorzu-
schlagen gewagt. Alle Welt jpricht von finanziellen Mejormen, aber in
Wirklichkeit will sie niemand. Sie sind bei dem gegenwariigen. parlamen=
tarischen Regiment unmöglich, denn er herrscht eine zu große Verwirrung
zwischen den erekutiven und den gesetzgebenden Mächten. Die Minister haben
die Deputierten zu nötig, um sich eine Mehrheit zu sichern, und die Tepu-
tierten haben die Minister nötig, um Stellungen oder Begünstigungen für
ihre Angehörigen oder Freunde zu erlangen. Die Teputierten hängen an
ihrer Stellung und nene Steuern vorschlagen hieße für sie, sich in der Mei-
nung ihrer Wähler schädigen. So stimmen sie also für das Vudget des
Ministeriums und nehmen dessen Begünftigungen als Gegengabe. Das Gleich-
gewicht des Budgets besteht nur auf dem Papier. Jedermann weiß, daß
außer der anerkannten schwebenden Schuld Hr. Tirard noch eine Menge von
geheimen Verpflichtungen und Schulden übernommen hat und jeden Tag auf
neue Auskunftemittel denlen mus. Diese Finauzpolitik kann das schon so
sehr erschütterte Vertrauen nicht wieder herstellen.
21. November. (Tongking.) Sämtliche in lehßter Zeit da-
hin gesandten sehr bedeutenden Verstärkungen sind dort angekommen
und Ferry hofft nunmehr auf baldige Nachricht von entscheidenden
Schlägen des Oberkommandierenden Admiral Courbet wider die
Schwarzflaggen und die hinter ihnen stehenden Chinesen. Die ganze
Frage hat sich für Frankreich dahin gugespitzt, ob China für seine
Ansprüche offen eintreten und es schließlich zu einem offenen Kriege
zwischen Frankreich und China kommen werde oder nicht. In Fraul-
reich glaubt man nicht daran.
22. November — I4. Dezember. Die französische Presse ver-
folgt den langen Vesuch des deutschen Kronpringen in Spanien mit
Argusaugen. Ihre Prophezeiungen bezw. Wünsche realisieren sich
indes in keiner Weise: die Franzosen in Spanien hüten sich wohl,
gegen den Kronprinzen zu demonstrieren, und diesem gelingt es durch
seine imposante Erscheinung wie durch seine Liebenswürdigkeit rasch,
sich die Zuneigung der Spanier selbst zu erobern. Dagegen be-
ruhigen sich die Franzosen allmählich darüber, daß von einem förm-
lichen Bündnis zwischen Deutschland und Spanien keine Redo ist.
24. November. (Madagaskar) lehnt das Ultimatum Frank-
reichs vom 22. Juni definitiv ab, indem es wohl zur Bezahlung
einer gewissen Geldsumme geneigt wäre, aber von einem Protektorat
Frankreichs über irgend einen Teil der Jnsel entschieden nichts
wissen will.
26. November. Der chinesische Botschafter Tseng richtet eine
Note an die französische Regierung, in der er den Lauf des Roten
Flusses in Tongking als Grenzlinie zwischen China und Frankreich,
zwischen den beiderseitigen Streitkräften und zwischen den Städten
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