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versität Dorpat wird verlraulich die Anfrage gestellt, ob sie nicht
unter Umständen ihre Vorlesungen in russischer Sprache abhalten
könnten. Alle antworlen verneinend.
22. November. Vei Vesprechung eines von Professor Mertens
herausgegebenen Sammelwerkes über die Verträge zwischen Ruß-
land und Preußen konstatiert das „J. de St. Pelersb.“, das Organ
des auswärtigen Amtes, die konstante Solidarität der Beziehungen
beider Staaten zu einander. Die früheren Hetaarlikel der russischen
Presse gegen Deulschland sind ganz verstummt.
Ende November. Die russische Negierung schließt mit der
vom Fürsten Gagarin geleiteten russischen Handels= und Schiff-
fahrtsgesellschaft in Odessa einen Vertrag ab, durch welche diese
gegen eine angemessene Subvention sich verpflichtet, die Linie Odessa-
Rustschuk regelmäßig zu befahren.
Ein Arlilel des Vertrage erregt inder Bedenken, dersenige nämlich,
nach welchem die russische. Handels= und Schiffahrte egeseulschaft ermächtigt ist,
ihre Schiffsoffijiere und Arzte dem Stande der russischen Marine zu ent-
nehmen. Man ist nämlich der Ansicht, daß es der russischen Regierung nur
um die Schaffung eines als Privatspelulation maskierten Schissahrtsunter-
nehmens zu thun ist, dessen Fahrzeuge im Falle des Bedarfes soforl als Be-
standteile der russischen Kriegs marine erklärt werden könnten letzteres aller-
dings im Widerspruche zu jenen Verträgen, welche die Donau als neutrales
Gewässer und von Braila flußabwärts für alle fremden Kriegsschiffe absolut
verschlossen erklären.
5. Dezember. Die Regierung macht nun doch eine Anleihe
von 50 Mill. Rubel in Gold und zu 6 Progzent. Dieselbe hat
also den Papierrubel mit Zwangskurs ganz beiseite schieben müssen,
um das Anlehen zu ermöglichen. Es ist das ungünstigste, das Ruß-
land und wohl das ungünstigste, das irgend ein europäischer Staat
überhaupt in den letzten Jahren abgeschlossen hat. Dasselbe wird
freilich rasch gezeichnet.
Die Anleihe ist eine Goldauleihe, Zinsen und Nückzahlungen erfolgen
in der Münze der verschiedenen europäischen Länder. Die Regierung adoptiert
eine für Rußland neue Art der Anleihe, die nicht amortisierbare Renten-
anleihe mit dem Vorbehalt der Rückgahlung derselben nach zehn Jahren.
Diese Beschräukung enthält auch das Recht der Konvertierung der Anleihe.
Die Verzinsung ist eine 6öprozentige und der Kurs stellt sich auf 98 und bei
Zinsgenuß vom 22. November bis zum 5. Dezember auf 96,47, die Ver
zinsung beträgt daher 6,2 Prozent. Die Anleihe ist dazu bestimmt, die zu
Ende des Jahres jällige Schuldrate an die Reichsbank mit 50 Mill. Rubel
zurückzuzahlen, ferner staatsfinanzielle Bedürfnisse für Eisenbahnbanten rc.
Zu decken.
Mitte Dezember. Die sog. Kochanow'sche Kommission bezg.
Verwaltungsreform wird von Tolstoi kurzerhand beseitigt.
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