Das deutsche Reich und seine einzeinen Glieder. (Jan. (6.) 5
zeigt, die Frage, ob nachher der Kanal von der Emsmündung nach der Unter-
weser und der Unterelbe geführt werden soll oder von Bevergern aus nach
der mittleren Weser und Elbe, als eine offene zu behandeln, obgleich sie schon
jetzt geltend macht, daß die erstere, von ihr ins Auge gefaßte Linie erheblich
kürzer und billiger sein würde. Auf diese Weise hofft sie den Widerspruch,
ver gegen ihre Pläne laut geworden ist, vorderhand zur Ruhe zu bringen.
das gelingen wird, ist jedoch zweifelhaft. Ein Blick auf die Karte genügt,
um sich zu überzeugen, daß, wenn das erstere Projekz das billigere und im
Interesse der rheinisch= westfälischen Montanindustrie vorteilhaftere ist, das
zweite, welches die Verbindung des Rheins mit der mittleren Weser und
Elbe in Aussicht nimmt, für die Provinzen Hannover und Sachsen von un-
geheurer Bedeutung ist, welche weit hinausreicht über diesenige einer Kanal=
verbindung, welche, von der Ems nach den Mündungen der Weser und der
Elbe laufend, der Seeschiffahrt Konkurrenz macht. Die Gegner der Vorlage
meinen, daß angesichts der wirtschaftlichen Fragen, welche hier in Betracht
kommen, es wenig ins Gewicht falle, ob die eine oder die andere Linie
50 Millionen mehr oder weniger kosten würde. Die aphoristischen Bemer-
kungen, mit denen das Kanalprojekt Bevergern-Hannover-Magdeburg abgethan
wird, reichen gerade hin, die Interessenten in Bewegung zu setzen. Von einer
Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile der einen oder der anderen Linie ist
in der Begründung nichts zu finden, welche auf ein paar Seiten die kritischen
Betrachtungen, zu denen die vorjährige Vorlage Anlaß gegeben hat, mehr
bespricht als widerlegt, im übrigen aber auf die frühere Vorlage hinweist.
Sollte der Vorschlag der Regierung zunächst die Zustimmung des Landtags
finden, so werden die offen gehaltenen Projekte als auf mindestens 10 bis
15 Jahre vertagt anzusehen sein. Gerade das aber macht das Schicksal der
Vorlage zweifelhaft. Solange die Regierung daran festhält, mit den Kanal-
bauten nur einer — und zwar der im preußischen Landtage schwächer ver-
tretenen — Interessentengruppe zu dienen, wird sich leicht eine übermächtige
Koalition gegen ihre Absichten zusammenfinden. Wenn es dem Minister May-
bach mit den Kanalprojekten wirklich ernst ist, wird er nicht umhin können,
sich etwas mehr zu bemühen, um die widerstreitenden Interessen miteinander
auszusöhnen und denen, welche vorläufig zurücktreten müssen, die Garantie
dafür zu geben, daß ihre Interessen uicht anderen geopfert werden sollen.
6. Januar. (Württemberg.) Landesversammlung der sog.
Volkspartei in Stuttgart.
Die ca. 500 Teilnehmer zählende Versammlung nimmt folgende Re-
solutionen an: „Die Landesversammlung der Volk- spartei hält im Vertrauen
auf den in immer breiteren Schichten des württembergischen Volkes zu Tage
tretenden Geist der Selbstbestimmung trowz einzelner empfindlicher Niederlagen
an der Ansicht fest, daß die in ihrem Wahlprogramm aufgestellten Forde-
rungen der Verfassungs= und Verwaltungsrevision, namentlich begüglich der
Herstellung einer reinen VBolkslammer, einer schärferen Kontrole der Abstim-
mungen der Regierung im Bundesrat und der Abschaffung der Lebensläng-
lichkeit der Ortsvorsteher als dringliche und grundlegende für jede Weiter-
entwickelung des öffentlichen Lebens in Württemberg zu behandeln sind. Sie
erwartet daher von allen freisinnigen Abgeordneten, daß sie für diese Forde-
rungen neben der Unterstützung jeder auf den materiellen und geistigen Fort-
schritt des württembergischen Volkes gerichteten Bestrebung eintreten und macht
ebenso allen Genossen! im Lande eine entsprechende unablässige Thätigkeit zur
Pflicht.“ Ferner: „Die Landesversammlung stellt an die württembergische
Regierung die geziemende Bitte, dieselbe wolle 1) angesichts des durch die
Elementarereignisse des Jahres 1882 hervorgerufenen außerordentlichen Not-