422 Uebersicht der polilischen Enkwinelung des Jahres 1883.
in Europa nicht möglich, so mußten sie außerhalb desselben, sei es
wo es wolle, ihre Macht entfalten und ausdehnen, um ihr Ansehen
in Europa zu wahren und sein Wiederaufsteigen vorzubereiten. Die
Welt ist zwar, wie man sagt, bereits verteilt, aber sie ist es doch
nicht ganz und die Frangosen sind unleugbar ein kriegerisches Volk,
das auch vor fernen Erpeditionen durchaus nicht zurückschreckt, wäh-
rend derlei den Deutschen, wenigstens zur Zeit noch, ganz ferne
liegt. Frankreich entschloß sich also, sobald nach dem Tode Gam-
betta's und den schwachen Ministerien Duclerc's und Fallieres' unter
Ferry wieder eine Negierung gebildet worden war, die einige Dauer
versprach, sich eine große Kolonialmacht zu erwerben neben Eng-
Anam- land, eventuell auch gegen England. Schon vorher hatte es in
Tong. Hinterindien, wo es Cochinchina besitzt und wo ihm ein früherer
Vertrag mit dem Beherrscher von Anam eine bequeme Handhabe
bot, angebunden, im eigentlichen Anam eine herrschende Stellung
erzwungen und durch die Besetzung von Hanof in dem von Anam
abhängigen Tongking festen Fuß gefaßt. Jetzt aber ging Ferry auf
die förmliche Eroberung dieser weiten Gebiete bis an die Grenze
der südchinesischen Provingen mit etwa 15 Millionen Einmwohnern
aus. Es lag auf der Hand, daß das Unternehmen auf eine so ge-
waltige Entfernung eine erhebliche Angahl von Truppen erfordern
und sehr viel Geld kosten werde und der ganze Plan erschien den
Franzosen anfangs doch etwas abenteuerlich. Aber als im Mai
1883 der französische Kommandant in Hanok, Rivibre, von den
Tongkingesen bei einem Ausfalle überwältigt und getötet wurde und
dieser Stützpunkt der Frangosen im höchsten Grade gefährdet erschien,
hieß es alsbald, die frangösische Fahne sei engagirt und Ferry hatte
von da an gewonnenes Spiel. Er vermehrte die Floltenstation an
der ostasiatischen Küste, schickte bis zu Ende des Jahres Truppen
auf Truppen nach Tongking und die Kammer genehmigte die dafür
geforderten Kredite ohne Anstand. Im August gab ein Thron-
wechsel in Anam, der von den Mandarinen gegen die Fremdherr=
schaft ausgebentet werden wollte, Gelegenheit, die Forts und die
Hauptstadt Hue im Sturme zu nehmen und zu besetzen, in die
Citadelle eine genügende Garnison zu legen und mit dem Kaiser
einen Vertrag abzuschließen, der ihn auf die auch dem Bey von
Tunis belassene Stellung herabdrückte: die Zolleinnahmen und die
auswärtigen Angelegenheiten gingen auf Frankreich über und es
blieben jenem nur die innere Verwaltung und der Genuß seiner