Mada-
gaskar.
424 Uebersichl der polilischen Entwichelung des Jahres 1883.
reich ausschließlich Deutschland im Auge behielte und alle seine
Kräfte für die Wiedererringung seiner früheren kontinentalen Macht-
stellung zusammen hielte. Die Frangosen ließen sich denn auch nicht
ausreden, daß England in China zu einem offenen Kriege mit Frank-
reich hetze. Für diesen Fall, der eben doch ernsthaft ins Auge ge-
faßt worden war, kam sogar eine förmliche übereinkunft zwischen
England, Deutschland und anderen Seemächten zu stande, um even-
tuell durch Kooperation ihre Interessen und ihre Unterthanen in
den chinesischen Hafenstädten zu schützen, was eine Blokade dieser
Häfen durch die französische Flotte und eine allfällige Expedition
direkt gegen Peking in der Weise der Palikao'schen wenigstens sehr
erschwert hätte. China hatte zudem in dem Marguis Tseng einen
bei England und Frankreich beglaubigten Gesandten, der sich der
französischen Diplomatie zum mindesten gewachsen, wo nicht über-
legen zeigte. Die chinesische Kriegsgefahr hing daher das gange
Jahr 1883 mehr oder weniger drohend über dem französischen Hori-
zont und auch in Tongking selbst machten die Franzosen bis zu
Ende desselben nur langsame Fortschritte. Dies wurde veraulaßt
und jedenfalls befördert durch die Uneinigkeit der verschiedenen und
häufig wechseluden Besehlshaber, die Frankreich dahin geschickt hatie
und die sich dort gegenseilig vielfach im Wege standen, bis endlich
Ferry derselben ein Ende machte und den Oberbefehl über alle dor-
tigen französischen Streitkräste zu Wasser und zu Lande in die Hände
des Admirals Courbet legte. Erst jetzt gelang denn auch die Eroberung
der wichtigen Stadt Sontay, während die von Bacniuh, das, wie
es hieß, von 20,000 Mann regulärem chinesischen Militär besetzt,
befestigt und vertheidigt werde, immerhin noch aufs neue Jahr auf-
geschoben und von weiteren erheblichen Truppennachschüben aus
Frankreich abhängig gemacht werden mußte. So blieb die Tong-
king-Frage für Frankreich am Schluß des Jahres 1883 noch eine
unentschiedene.
Inzwischen war die Eroberung von Anam-Tongking wohl
das größte koloniale Unternehmen Frankreichs, doch durchaus nicht
das einzige. Es hatte sein Auge gleichzeitig auch auf die afri-
kanische Insel Madagaskar gerichlet, die, so groß wie ganz Frank-
reich, fruchtbar und für die Franzosen speziell wohl gelegen erschien,
auf die es alte Ansprüche geltend machen konnle und die noch nicht
und in keinem Teile im anerkannten Besitze einer anderen enropäi-
schen Macht war. Bis auf einen gewissen Grad war sie indes in