Wirl-
schaftl.
Ent-
wicke-
lung.
138 Nebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1883.
reits haben sie auch einen Ton in die Verhandlungen desfelben
hineingebracht, der wahrlich nicht geeignet ist, weder ihr eigenes noch
das Ansehen des Neichstags in den Augen der Nation zu erhöhen.
Ja es ist eine Thatsache, die kaum geleugnet werden kann, daß
dieses Anfehen entschieden eher im Sinken als im Steigen begriffen
ist. Nicht am wenigsten aber trägt dazu die Stellung bei, welche
das ultramontane Zentrum in demselben nachgerade errungen hat
und die der Nation geradezu zur Schmach gereicht. Indem das
Zentrum mit seinen geschlossenen Reihen und unter einem Führer,
der wie Eugen Richter in der Politik nur Taktik kennt, zwar in der
Negel mit den Konservativen geht, gelegentlich aber auch umschlägt
und sich mit den Radikalen gegen den Reichskangler verbündet, ist
es ihm gelungen, sich im Reichstage zur maßgebenden Partei empor-
zuschwingen, die bis auf einen gewissen Grad den Kanzler in der
Hand hat; und doch herrscht darüber auf keiner Seite auch nur der
leiseste Zweifel, daß die Partei in erster Linie gar nicht politische,
sondern hierarchisch-kirchliche Zwecke verfolgt und daß ihr das Wohl
und die Interessen des deutschen Reichs erst in zweiter Linie stehen,
ihrem welfischen Führer aber selbst die Existenz desselben ziemlich
gleichgültig wäre, wie den übrigen Welfen und den Polen, den
nächsten Berbündeten des Zentrums. Nicht die Konservativen, son-
dern die Ultramontanen sind die eigentlich reaktionäre Partei in
Deutschland; glücklicher Weise vertreten sie nur eine Minderheit der
Nation, welche trotz ihrer augenblicklich maßgebenden Stellung im
Reichstag im großen und ganzgen niemals den Ausschlag wird geben
können.
Daß die wirtschaftliche Entwickelung des geeinigten deutschen
Reichs in vollem Aufschwunge begriffen ist und fast nach allen
Seiten gewaltige Fortschritte macht, ist eine Thatsache, die von keiner
Seite geleugnet werden kann und Deutschland zur höchsten Befriedi-
gung gereicht. Der Streit zwischen den Parteien des Freihandels und
des Schutzzollsystems ist indes noch leineswegs geschlichtet und wird
vielfach sehr lebhaft fortgeführt. Im Reichstag hat vor der Hand
noch jene Partei das entschiedene übergewicht, in der öffentlichen Mei-
nung scheint es dagegen allgemach eher die letztere zu gewinnen.
Ob freilich die Wirtschaftsreform von 1879 dem Lande alle die
Vorteile wirklich gebracht hat, die ihre Freunde als bereils einge-
treten erkennen wollen und mit größtem Nachdruck behaupten, mag
dahingestellt bleiben. So viel ist jedoch sicher, daß einige vorher