Vayern.
142 Uebersicht der politischen Enkwi#elung des Jahres 1883.
zu Herzen ging als ihren eigenen kirchlichen Oberen. Es steht zu
hoffen, daß viele gläubige preußische Katholiken dies nachgerade
einsehen und die bisherige blinde Heeresfolge dem Zentrum und je den
Extremsten unter den Extremen verweigern werden; aber man muß
wohl darauf gefaßt sein, daß diese Folgen doch nur langsam ein-
treten und Wurzel fassen dürften.
über Bayern können wir uns kürzer fassen. Der Ansturm
der ultramontanen Mehrheit der II. Kammer gegen die Regierung war
kein ganz ungefährlicher, obgleich außerhalb Bayerns bereits nie-
mand mehr darüber in Aufregung geriet. Immerhin war es eine
Reaktion des alten katholischen Bayerns gegen das neue deutsche
Reich und gugleich gegen das jetzige paritätische Bayern, gegen die
von dem Gängelbande der Kirche losgelöste Schule und gegen den
modernen Staat. Der ganze Staat sollte um ein paar Jahrhun-
derte zurückgeschraubt werden. Die Führer der Bewegung täuschten
sich jedoch gründlich: so was ist am Ende des neunzehnten Jahr-
hunderts einfach nicht mehr möglich. Der Ansturm scheiterte schon
au der doch sonst entschieden konservativen I. Kammer, in letzter
Linie aber und zumeist an dem Willen des Königs, der an seinem
Rechte festhielt und sich ein ultramontanes Ministerium nicht auf-
zwingen ließ. Im Reich und in Preußen ärgern sich die Nadikalen
über dieses Recht des Monarchen, weil Bismarck bleibt, wie sehr
sie auch gegen ihn anstürmen mögen; in Bayern ist es das andere
Extrem, dessen Herrschaft jenes Recht im Wege steht. Allein diese
wie jene müssen sich fügen, wahrlich nicht zum Nachteil des Ganzen.
Im übrigen war der ultramontane Ansturm in Bayern im Jahre
1883 schwächer als im Jahre vorher: die Ministerstürzerei we-
nigstens war ein überwundener Standpunkt, wenn es auch der
ultramontanen Mehrheit der II. Kammer gelang, der Regierung
gahlreiche Schwierigkeiten zu bereiten, und mehrere ihrer wohl be-
gründeten Vorlagen teils empfindlich zu beschneiden, teils ganz
zu Fall zu bringen. Die Negierung ihrerseits machte der Be-
wegung schließlich einige nicht leicht wiegende Konzessionen bezüglich
des konfessionellen Schulwesens, die vielleicht zu weit gingen, aber
entschuldigt werden können „um des lieben Friedens willen“, da es
den Führern der Bewegung einmal gelungen war, den größeren
Teil der katholischen Bevölkerung in dieselbe hineinzuziehen und
diese Bevölkerung hinwieder den größeren Teil der Gesamtbevölke=
rung Bayerus bildet.