452 Uebersicht der politischen Enlwichelung des Jahres 1883.
kaun, und daher persönlich hoch geachtet, und schließlich nicht, wie
Chambord, politisch zum voraus an extreme Tendenzen gebunden,
sondern frei, einen vermitteluden Standpunkt zwischen Vergangen-
heit und Gegenwart suchend, darum wenigstens nicht von vorne
herein unmöglich, wie Chambord. Damals dachte man indes noch
nicht an seinen Tod und standen also die Aussichten der Orleans
DerGrafimmerhin noch in weiter Ferne. Im Frühjahr aber erlitt Cham-
von bord einen Schlaganfall, von dem er sich nicht erholte und an dem
Veris, er am 24. August in Frohsdorf starb. Jetzt trat der Graf v. Paris
allerdings als sein legitimer politischer Erbe an seine Stelle. Er
übernahm auch die Erbschaft, aber er hütete sich wohl, dies durch
ein Manifest zu verkünden, da ihn die Regierung in diesem Fall
unzweifelhaft auch ohne Gesetz sofort ausgewiesen haben würde. Auch
war seine Stellung zunächst eine sehr unsichere: die Zahl der älteren
Orleanisten ist doch eine nur sehr kleine und die Legitimisten miß-
trauen ihm. Die größere Zahl derselben hat sich ihm indes doch
angeschlossen, da die Anhänger einer vollständig und für immer
überwundenen Vergangenheit ohne ein Haupt und einen Repräsen-
tanten ihres Prinzips nur lächerlich wären: schließlich werden sich ihm
alle anschließen müssen oder sie werden aussterben. Seine Aussichten
sind aber darum doch nur geringe. Wohl kann sich die Republik zu
Grunde richten, die Franzosen sind wetterwendisch und auf dem Boden
des schrankenlosen allgemeinen Stimmrechts ist nichts unmöglich.
Allein die Monarchie läßt sich so wenig improvisieren wie die Republik;
die wahre Monarchie ist wie die wirkliche Republik das Produkt
einer langen Vergangenheit und diese steht der Wiederaufrichtung
einer Monarchie in Frankreich eher entgegen als daß sie ihr förder-
lich wäre. Jedenfalls muß der Graf v. Paris zuwarten und die
Dinge wohl reifen lassen.
Das Ingzwischen hatte noch während der Debatten über die Prinzen-
Kabinet frage das schwache Kabinet Duclerc seine Entlassung genommen und
Ferry war provisorisch durch ein noch schwächeres Kabinet Fallidres er-
setzt worden. Erst nachdem die Frage entschieden war, bildete sich
wieder ein ernsthaftes Kabinet, das einige Dauer versprach: Ferry
übernahm darin das Präsidium und wählte sich die hervorragendsten
Freunde Gambetta's zu Kollegen, die damit zur Gewalt kamen.
An der gambettistischen Fraktion der Union republicaine besaß das
neue Ministerium einen festen Kern und eine sichere ministerielle
Partei und auch die anderen mittleren Fraktionen waren froh, we-