460 Nebersichl der polilischen Enlwichrlung des Jahres 1883.
sehr in Anspruch genommen war, freiere Hand und in Mittelasien
erhebliche Fortschritte gemacht, weitere vorbereitet. Nicht ebenso
freie Hand hat es auf der Balkanhalbinfel. Dort hat es denn
auch keine Fortschritte gemacht, vielmehr ziemlich empfindliche Ein-
bußen erlitten. Der Berliner Vertrag hat der Pforte wenigstens
eine Frist weiterer Existenz verschafft, die sie gerne benützen würde,
wenn nur die Finanzen es erlaubten und die Zustände nicht vielfach
gar zu verrottete wären. Viel Rücksicht wird von den Mächten,
außer von Deutschland und Oesterreich, auf sie nicht genommen;
offenbar halten sie ihr endliches Schicksal für zum voraus besiegelt.
Der nächste große Krieg scheint die Erbschaft als verfallen aus-
weisen zu follen und im stillen rüsten sich alle darauf, einen Teil
derselben in Anspruch zu nehmen. Rußland muß diesen Zeitpunkt
auch seinerfeits abwarten und sich inzwischen gedulden. Gegenüber
den durch den Berliner Vertrag unabhängig gewordenen oder neu
Tie gebildeten Staaten fällt ihm das freilich schwer. Rumänien hat
Vallan= sich von ihm unabhängig gemacht und dem österreichisch-deutschen
staaten. Bündnisse angeschlossen. Serbien ist gegen russische Umtriebe in
ein enges Verhältnis zu Oesterreich getreten und der Rückhalt,
den es an diesem findet, hat es ihm allein ermöglicht, einen Auf-
stand der Radikalen rasch und, wie es scheint, nachhaltig zu unter-
drücken, ohne daß Rußland sich einzumischen in der Lage war.
Selbst Bulgarien hat sich seiner Abhängigkeit von Rußland we-
nigstens bis auf einen gewissen Grad entzogen. In diesen Gebieten
ist die russische Diplomatie derjenigen des Fürsten Bismarck nicht
Außlandgewachsen. Und in diesen Dingen sind wohl auch die Motive zu
uund suchen, die Nußland zu Ende des Jahres bewogen haben, auf seine
Te= Sonderstellung und auf sein Liebäugeln mit Frankreich gegen
Deutschland zu verzichten und die alte Freundschaft mit Preußen
und Deutschland zu erneuern, obgleich es damit auch ein gutes
Verhältnis zu Oesterreich, und zwar namentlich bezüglich der
Balkanhalbinsel, mit in den Kauf nehmen mußte. So demonstrativ
jene nun auch auftritt, so dürfte sie doch kaum ohne Hintergedanken
sein. Es ist der eigentümlichste Zug der russischen Aktion im Hrient,
daß sie auch in Zeiten verhältnismäßiger Ruhe und wenn die offi-
zielle Politik noch so friedfertig erscheint, unausgesetzt ihr Ziel ver-
folgt. Der weitverzweigte und wohl organisierte Agitationsapparat
darf eben niemals still stehen und muß fortwährend in Thätigkeit
erhalten werden, soll er nicht für entscheidende Momente feine