Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

14 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jau. 18— 23.) 
Folge derselben wäre, daß die Berliner Börse mit den kapitalstarken aus 
wärtigen nicht mehr Schritt halten könnte. Zahlreiche Firmen würden ent- 
weder auswandern oder doch ihre Zeitgeschäfte anderswohin  verlegen. Schon 
der Versuch hat die Geschäftswelt verstimmt. In Finanzkreisen berechnet man 
den Verlust, den die Berliner Börse dadurch erlitten hat, auf anderthalb 
Millionen Mark. 
18. Jannar. (Elsaß-Lothringen.) Landesausschuß: von 
den 56 Mitgliedern desselben legen 17 gegen den Ausschluß der 
französischen Sprache aus den Verhandlungen Protest ein, erklären 
aber trotzdem ihr Verbleiben im Landesausschuß. Derselbe geht 
hierauf zur Beratung des Etats über, wobei selbst lothringische Ab- 
geordnete sich mit großer Fertigkeit in der deutschen Sprache aus- 
drücken. 
20. Jannar. (Deutsches Reich.) Reichstag: beginnt die 
Etatsberatung für 1883-84. 
20. Januar. (Baden.) Nach längerer Erledigung wird die 
Stelle eines Präsidenten des katholischen Oberstiftungsrates in der 
Person des bisherigen Rats an der Oberrechnungskammer Sigel 
wieder besetzt. 
Der Tagespolitik bieher völlig fremd, hat derselbe aus seiner gemäßigt 
liberalen und nationalen Gesinnung doch nie ein Hehl gemacht. Den Ultra- 
montanen ist daher seine Ernennung keineswegs erwünscht. Der Erzbischof 
Orbin hat ihr jedoch seine Zustimmung erteill und die öffentliche Meinung 
erkeunt darin ein neues Zeichen dafür, daß die Zeit des Kampfes zwischen 
Staat und Kirche in Baden zur Befriedigung aller ruhig denkenden Staats- 
bürger endgültig abgeschlossen sei. 
21. Jannar. (Preußen.) Prinz Karl von Preußen +. Der 
Kaiser verliert an ihm seinen letzten, um 4 Jahre jüngeren Bruder. 
Die öffentliche Feier der auf den 25. d. M. fallenden silbernen 
Hochzeit des Kronpringenpaares muß deshalb unterbleiben. 
22—23. Jannar. (Deutsches Reich.) Reichstag: Beratung 
des Etats: Militäretat. 
Der Abg. Schott (württ. Volkspartei) bringt eine lange Reihe wirk- 
licher und angeblicher Beschwerden gegen das Militär und die bestehenden 
Herreseinrichtungen (Mißhandlung von Soldaten, Mißbräuche der Unter- 
offiziere, Bevorzugung der Adels und der Garde ect.), übrigens noch mit ziem- 
licher Mäßigung zur Sprache und meint. daß am Militär Millionen und 
Millionen erspart werden könnten, wenn man nur wollte, ohne die Schlag- 
fertigkeit des Heeres zu mindern. Der Kriegsminister v. Kamekte antwortet 
mit großer Ruhe. Der Abg. Eug. Richter spinnt aber die Debatte mit 
großer Animosität und in agitatorischer Weise weiter und bringt dadurch 
einen Ton in dieselbe, welcher peinliches Aufsehen macht und vielfach tief 
verstimmt, zumal der Kriegeminister dadurch nicht bewogen wird, von seiner 
Haltung einer ruhigen, rein fachlichen Abwehr herauszutreten. Schon wenige 
Tage nachher verbreitet sich das Gerücht, daß diese Haltung an höchster Stelle
	        
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