16 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 27—28.)
Der Abg. v. Kardorff bringt einen auf den Beschlüssen der
vorjährigen Kölner Versammlung beruhenden Antrag auf Einfüh-
rung des Bimetallismus ein. Derselbe ist von 77 Mitgliedern
unterzeichnet, hat aber von vorneherein keine Aussicht, vom Reichs-
tage angenommen zu werden.
Eine wesentliche Bedeutung würde der Antrag erst durch die vor-
behaltene Resolution erlangen, die dahin gehen soll, den Reichskanzler zur
Wiederaufnahme der Silberverkäufe einzuladen, wenn internationale Abmach-
ungen im Sinne des Antrags nicht zustandekommen sollten. Der status quo
wäre also auch nach der Ansicht v. Kardorffs und seiner bimetallistischen
Freunde nicht länger haltbar.
27. Januar. (Preußen.) Nachdem die Presse und die öffent-
liche Meinung sich in den letzten Wochen aufs lebhafteste mit den
seit dem Ende des vorigen Jahres neuerdings zwischen der Regie-
rung und der römischen Kurie eingeleiteten Unterhandlungen behufs
Beseitigung des Kulturkampfes beschäftigt hat, ohne doch irgend
etwas Zuverlässiges davon zu wissen, veröffentlicht die Nordd. Allg.
Ztg. das unter dem 22. Dezember 1882 vom Kaiser an den Papst
gerichtete und von Bismarck gegengezeichnete Schreiben, das den
Ausgangspunkt der Verhandlungen bildete und den Kern desselben
begeichnet. Dasselbe lautet:
„Ew. Heiligkeit danke Ich für das Schreiben, welches Sie unterm
3. d. an Mich gerichtet und erwidere von Herzen das Wohlwollen, welches
Sie darin für Mich zu erkennen gaben. Dasselbe bestärkt mich in der Hoff-
nung, daß Eure Heiligkeit aus der Befriedigung, welche Sie mit mir über
die Herstellung und die Wirksamkeit Meiner Gesandtschaft empfinden, einen
neuen Beweggrund entnehmen würden, das seitherige Entgegenkommen
Meiner Regierung, welches die Wiederbesetzung der Mehrzahl der Bischofs-
sitze ermöglicht hat, durch entsprechende Annäherung zuerwidern. Ich
bin der Meinung, daß eine solche, wenn sie auf dem Gebiete der Anzeige der
Geistlichen-Ernennungen stattfände, noch mehr in dem Interesse der katho-
lischen Kirche als in dem des Staates liegen würde, weil sie die Moglichkeit
zur Besetzung der im Kirchendienst entstandenen Vakanzen bieten würde.
Wenn ich aus einem Entgegenkommen der Geistlichkeit auf diesem Gebiete
die Überzeugung entnehmen könnte, daß die Bereitwilligkeit zur Annäherung
eine gegenseitige ist, würde ich die Hand dazu bieten können, solche Gesetze,
welche im Zustande des Kampfes zum Schutze der streitigen Rechte des Staates
erforderlich waren, ohne für die friedlichen Beziehungen dauernd notwendig
zu sein, einer wiederholten Erwägung im Landtage Meiner Monarchie unter-
ziehen zu lassen.“
Der Brief ist bis zu diesem Tage vom Papst noch nicht beantwortet
worden. Inzwischen findet derselbe von Seite aller Friedliebenden allgemeine
Anerkennung. Die Veröffentlichung desselben wurde wohl durch die Haltung
des ultramontanen Zentrums und seiner Führer im Reichstage wie im preu-
ßischen Landtage, die nichts weniger als Frieden atmen, sondern nur neue
Kämpfe in Aussicht stellen, veranlaßt.
28. Januar. (Bayern.) In Kraftshof bei Erlangen wird