Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. — 3. Febr.) 10
Derselbe Antrag war in der letzten Saision des Reichstags nur durch
einen Zufall mit 2 Stimmen Mehrheit abgelehnt worden. Die diesmalige
größere Mehrheit! wird dem Umstande zugeschrieben, daß viele Konservative
gefehlt hätten. Die so laut agitierende Handwerkerpartei ist über die Ver-
werfung des Antrage sehr erbittert, da sie in demselben das Mittel erkannt
hatte, indirekt zu den von ihr angestrebten Zwangeinnungen zu gelangen.
— Januar. (Deutsches Reich.) In freimaurerischen Kreisen
bildet die Rede des Kronprinzen bei der Eröffnung der Loge „Royal
York“ das Tagesgespräch.
„Sie berührte — schreibt der „Tribüne“ ein Berichterstatter. in ihrem
Hauptabschnitt die konfessionellen Verhältnisse der Gegenwart. Obwohl man
bei den „Arbeiten“ der Loge an Freimut und Vorurteile losigkeit gewöhnt ist,
soll der Kronprinz doch alle Erwartungen übertroffen haben. Die hinreißende
Wärme und die sichtlich vom Augenblick eingegebene Improvisation des
lauchten Redners hat bei den Hörern eine wahrhaste Begeisterung erzeugt.
Da Abgesandte der Logen von weit und breit der Feier beiwohnten, so hallen
jetzt die feierlichen Erklärungen des Thronerben in allen Ländern wieder."
Anf. Februar. (Bayern.) Der Ausschuß des allg. Gewerbe-
vereins in München erläßt einen Aufruf an alle bayer. Handwerks-
meister ect. zur Gründung eines „bayer. Handwerkerbundes“ als in-
tegrierenden Bestandteils des „allg. deutschen Handwerkerbundes“.
Als Aufgaben des Bundes werden genannt: Einführung eines Be-
fähigungenachweises und scharfe Hervorhebung des Unterschiede zwischen Meister,
Gesellen und Lehrlingen, Einführung von Arbeitsbüchern für alle Arbeiter
ohne Unterschied, Beseitigung oder doch Einschränkung des Hausierhandel,
Einführung von Zwangsinnungen.
4. Februar. (Preußen.) Seit der Veröffentlichung des Briefs
des Kaisers an den Papst bildet die dadurch geschaffene kirchen-
politische Lage das Hauptthema der Diskussion für die öffentliche
Meinung und für die Presse. Von wesentlicher Bedeutung sind
indes nur ein Artikel der offenbar gut unterrichteten, römischen
„Rassegna“ und eine unzweifelhaft offiziöse Darlegung der „Nordd.
Allg. Ztg.“
5. Februar. (Deutsches Reich.) Bundesrat: die Reichs-
regierung schlägt demselben vorläufig eine Herabsetzung der Export-
bonifikation für Rübenzucker und zwar um 40 d. vor, im übrigen
aber die ganze Frage einer Enquete-Kommission zu überweisen. Der
Vorteil der Reichskasse aus der Herabsetzung wird auf 2½ bis 3
Mill. geschätzt.
Die Vorlage geht davon aus, daß in einer Resolution des Reichstags
vom 17. Dezember 1881 der Wunsch nach einer eingehenden Untersuchung der
einschlägigen Verhältnisse ausgesprochen worden ist. Die infolge dessen ein-
gegangenen Außerungen der Bundesstaaten erkennen übereinstimmend die
Mangelhaftigkeit der Grundlagen unserer Zuckersteuerstatistik in Bezug auf
das Maß der Zuckerausbente an. Zum Zweck der Abhilfe sei angeregt
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