Das deutsche Reich und seint einzelnen Glieder. (Febr. 19.) 29
Grundlagen erschüttert ist. Wir können Ew. Majestät versichern, daß auch
die katholische Kirche ganz beseelt von diesem Geiste ist, und sie besitzt, wo
sie nicht auf Hindernisse stößt, die kostbare Macht, denselben ein zuflößen und
auszubreiten. Daher war es stets unser lebhaftestes Verlangen, die Kirche
allerorten frei ihre Kraft entfalten zu sehen, zum Besten der Völker und der
Regierungen, und mit diesen zu solchem Zwecke friedliche und freundschaft-
liche Beziehungen zu knüpfen. Wenn die gebieterischen Pflichten des vor
Gott und den Menschen sehr verantworlungsvollen apostolischen Amtes uns
zu der Forderung nötigen, daß die nene kirchenpolitische Gesetzgebung in
Preußen wenigstens in den für das Bestehen und Leben der katholischen Re-
ligion wesentlichsten Punkten in endgültiger Weise gemildert und berichtigt
werde, so werden Ew. Majestät, weit entfernt, darin einen Mangel guter
und versöhnlicher Gesinnungen unsererseits zu erblicken, vielmehr anerkennen,
daß wir solches nur verlangen im Interesse des Friedens selbst, der kein
wahrer und dauerhafter sein kann, wenn er nicht auf sicherer Grundlage be-
ruht. Dieser Friedensschluß wird, während er einem der heißesten Wünsche
unseres Herzens Rechnung tragen und die Seelen aller Ihrer katholischen
Unterthanen mit stärkeren Banden an den Thron Ew. Majestät fesseln wird,
ohne Zweifel auch die schönste und köstlichste Krone Ihrer langen und ruhm-
reichen Regierung sein. Mit dieser Hoffnung senden wir zum Himmel die
inbrünstigsten Gebete für das Wohlergehen Eurer Majestät und Ihrer Kaiser=
lich Königlichen Familie."
II. Note des preuß. Gesandten v. Schlözer an den Kardinal-=
Staatssekretär Jacobini über die fortdauernde Amvesenheit des abge-
setzten Ergbischofe Ledochoweki von Posen im Vatikan d. d. 4. Dezember
1882: „Eminenz! Es zirkulieren hier mitunter Gerüchte, welche geeignet sind,
Preußen in ein falsches Licht zu stellen, und welche die guten Beziehungen
meiner Regierung zum heiligen Stuhl beeinträchtigen könnten. Solchen Ge-
rüchten entgegengutreten und das wahre Sachverhältnis auseinanderzusetzen,
halte ich im Interesse des zwischen Preußen und der römischen Kurie be-
stehenden Einverständnisses für meine Pflicht. Zu den Gerüchten dieser Art
rechne ich die von vielen Personen kolportierte Behauptung, daß Preußen
mit der italienischen Aegierung ein Abkommen getroffen habe, nach welchem
Se. Eminenz der Kardinal Ledochowski, sobald er sich anßerhalb des Vatikans
zeigen würde, arretiert und an Preußen ausgeliefert werden solle. Ich er-
laube mir dagegen Eurer Eminenz Folgendes amtlich zu erklären. Se. Emi-
nenz der Kardinal Ledochoweki ist seinerzeit wegen Nichtachtung der preußi-
schen Gesetze von verschiedenen Posener Gerichten zu verschiedenen Strafen
verurteilt worden, und hat meine Regierung diese Urteile regelmäßig durch
Vermittlung der italienischen Behörden dem Kardinal Zustellen lassen. Meine
Regierung hat aber niemals auf den Gedanken kommen können, bei der
italienischen Regierung eine Verhaftung und Aurlieferung Sr. Eminenz des
Kardinals Ledochoweli zu beantragen, und würden die italienischen Behörden
auch niemals einen solchen Antrag haben annehmen können, da der preußisch-
italienische Extraditionsverlrag auf die Art von Vergehen, deren der Kardinal
Ledochowski angeklagt worden ist, in keiner Weise Anwendung findet. Ich
erlaube mir also nochmals amtlich zu erklären: 1) daß meine Regierung
niemals die Verhaftung und Auslieferung des Kardinals Ledochowski hier
beantragt hat, und daß daher 2) Se. Eminenz der Kardinal Ledochowski den
Vatikan verlassen kann, ohne auch nur im mindesten befürchten zu müssen,
daß er in Rom oder überhaupt in Italien verhaste werden könnte, um an
Preußen anegeliefert zu werden; oder daß er wegen der oben erwähnten
Vorgänge in Preußen in irgend einen Konflikt. mit den italienischen Behörden
kommen könnte. Genehmigen ect.“