36 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Febr. — März 3.)
mit dem Beschluß einverstanden. Die Gesamtkosten betragen 106
Mill. .M. Die erste Rate des Reichsbeitrags von 40 Mill. an die-
selben mit 4 Mill. M. wird am 6. März 1884 fällig.
— Februar. (Bayern.) Bei den Nachwahlen für die II.
Kammer des Landtags geraten die Extrem-Klerikalen und die Klerikal-
Patrioten überall sehr scharf an einander.
3. März. (Preußen.) Abg.-Haus: genehmigt auch in 3. Lesung
die Anträge der Steuerkommission betr. Beseitigung der 2 untersten
Klassensteuerstufen und die Resolutionen betr. Anbahnung einer Re-
form des gesamten direkten Steuersystems. Da die Regierung damit
einverstanden ist, so erscheint die Frage der Steuerreform für Preußen
in ein allgemein befriedigendes Geleise eingelenkt.
Die „Köln. Ztg.“ erklärt die Beschlüsse für eine große Errungenschaft,
indem sie in einem Rückblicke ausführt: „Durch dieselben, denen das Herren-
haus sicher zustimmen wird, ist nicht nur eine planmäßige Steuererleich=
terung gewonnen, sondern eine weitergreifende Verständigung zwischen den
Parteien untereinander und mit der Regierung mindestens unverkennbar au-
gebahnt. Der Vertreter der Regierung. Finanzminister Scholz, gab zuvörderst
die Erklärung ab, das Gesetz mit seiner vollen Befreiung von nur zwei der
untersten Klassensteuerstufen befriedige die Regierung nicht vollkommen, und
diese werde in ihren Bestrebungen, durch höher hinaufreichende Befreiung
statt nur 85 Prozent der Steuererekutionen vielmehr alle 100 Prozent zu be-
seitigen, fortfahren und sie hoffe, späler auch hiefür die Zustimmung des
Hauses zu erreichen. Diese Erwartung der Regierung fand auch bei allen
Parteien des Hauser Anklang, wenngleich man auf liberaler Seite daran
festhielt, für jetzt mit der gänzlichen Befreiung nicht über- die Einkommen=
grenze bei 900 .M mit Zuversicht hinausgehen zu können. Es sei. sagte Herr
v. Bennigseu, in der Kommission genügend klargestellt, daß wenn man von
einigen Bezirken am Niederrhein und einigen hochentwickelten industriellen
Bezirken in Westfalen, sowie von der Zeit einer höheren Prosperität absieht,
dann mit der Grenze von 900.M die gesamte arbeitende Bevölkerung im
großen und ganzen freigelassen ist“. Bei der großen Mehrheit des Hauses
waltete auch unverkennbar die überzeugung vor, daß Preußen noch für eine
lange Reihe von Jahren größere Mittel gebrauchen werde, als sie jetzt zur
Verfügung stehen. zumal auch für die dringend nötige Erleichterung der Ge-
meinden und für die Umgestaltung des Schulwesens. Und wie über diese
Verwendungszwecke, so zeigten sich auch schon bezüglich der zu wählenden
Mittel und Wege der zu vermehrenden Einnahmen die Anfänge erfreulicher
übereinstimmung, wenigstens bezüglich der leitenden Grundsätze. . Vor
allem stellte sich heraus, daß der Glaube an den seit 1878 von der Staats-
regierung viel zu unbedingt hingestellten Grundsatz von den uneingeschränkten
Vorzügen der indirekten Steuern vor den direkten seitens der parlamen=
tarischen Parteien durchaus nicht mehr so unbedingt verteidigt wird, — auch
nicht auf der Rechten und kaum noch von der Regierung selber Die libe-
ralen Parteien haben seit 1879 lebhaft gekämpft gegen die Lehre von der
gänzlichen Unfühlbarkeit der indirekten Steuern für die besitzlosen arbeitenden
Klassen; jetzt können dieselben mit Genugthunng hervorheben, daß selbst die
konservativen Redner v. Hammerstein und Wagner dem alten liberalen Lehr-
satz von der ungebührlichen Belastung der ärmern Klassen durch die neuer-