Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Das deusche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 14.) 69 
seeischen Beziehungen, eine erhebliche Veränderung herbeizuführen, sollte da 
die Möglichkeit ganz von der Hand zu weisen sein, daß bei einer noch 
größeren Ausdehnung mit Zuhilfenahme einer Subvention von seiten des 
Staates, alle die Vortheile, die für die nationale Arbeit, für den Handel, 
für den Export gewonnen werden können, sich in noch größerem Maßstab 
zeigen? Wie hat der Verkehr in Folge der Anlagen von Eisenbahnen sich 
gehoben, wie hat der Wagen-Frachtverkehr in Folge der Eisenbahnen sich 
gehoben, wie haben Hunderttausende anderer Verkehrsarten sich seit meinen 
Jugendjahren verdreifacht, verzehnfacht und an Umfang zugenommen durch 
Verbesserung der Verkehrsverbindungen? Weit über jede Berechunng! Der 
Klügste, meine Herren, wird das  Maß der Entwickelung unseres Verkehrs 
in folge der Anwendung des Dampfes auf unseren Verbindungswegen so- 
wohl zu Wasser wie zu Lande nicht ganz sicher feststellen können. Können 
Sie also mit Sicherheit nach kaufmännischer Buchführung genau das Ver- 
lust- und Gewinnkonto anzeigen, was wir hierbei haben werden? Es ist das 
eine Überzeugungs-, eine Glaubenssache, die ich aber doch nicht wie Hr. Bam- 
berger als Gefühlssache  charakterisieren möchte. Wir fühlen die Verpflichtung, 
über die Ablehnung von Samoa nicht zu bondieren, sondern — Sie könnten 
es auch aus Ihrer Mitte thun — Ihnen nach einem gewissen Zeitraum 
wieder Gelegenheit zur Prüfung zu geben. Sind Sie überzeugt, daß diese 
Vorlage nützlich ist, dann werden Sie dafür stimmen troß der langen Rede 
und der vielen Daten, die Ihnen Hr. Bamberger verlesen hat. Sind Sie 
davon nicht überzeugt, dann bin ich der letzte, der es Ihnen übel nimmt, 
wenn Sie in wirtschaftlichen Fragen anderer Überzeugung sind. Für die 
Regierung entspringt daraus der Vorteil, daß sie von der Verantwortlichkeit 
für das Nichtinslebenrufen dieses Instituts befreit ist. Wollen wir den 
Weg, den nicht nur, wie Hr. Bamberger sagte, Frankreich, sondern auch 
England, Belgien, Holland und alle hauptsächlich seefahrenden Nationen be- 
treten haben, auch Italien — der Herr Generalpostmeister hat die Data 
darüber, ich habe sie nicht im Kopfe -, wollen wir den Weg, den alle diese 
betreten haben, nicht betreten, weil wir die klugen Deutschen sind, die alles 
besser wissen, weil wir so viele Gelehrte und so gute Redner haben? 
Wollen wir uns nicht an der Weiterentwickelung des Verkehrs beteiligen? 
Wollen wir nichts thun für die Seefahrt, die Arbeit, die Erhaltung unseres 
Exports, zur Vorbeugung von Nahrungslosigleit im Lande wegen Mangels 
an Export und Mangels an Arbeit? Wollen wir nicht vielmehr jedes Mittel 
wählen, die Ausfuhr zu fördern, auch solche Mittel, für deren Rentabilität 
wir nicht vorher den Beweis liefern können, an die wir aber glauben? — 
Wollen wir ablehnen oder annehmen? Die Regierung übernimmt nur dafür 
die Verantwortung, daß sie Ihnen Gelegenheit bietet, einen Beschluß zu 
fassen, daß sie ihrerseits die Initiative ergreift. Der Verantwortlichkeit für 
das Unterbleiben solcher Einrichtungen bei uns in Deutschland ist sie über- 
hoben. Diese Verantwortlichkeit wird von dem Augenblicke, wo Sie die Vor- 
lage ablehnen, Hrn. Bamberger, seinen Freunden und den Ablehnenden ins 
Konto geschrieben werden, und wir werden die Sache ad acta Samoa schreiben.“ 
11. Juni. (Baden.) Schluß des Landtags durch eine Thron- 
rede des Großherzogs. Derselbe beleuchtet den Nutzen der landwirt- 
schaftlichen Enquete-Beratungen und gibt die Zusicherung, die Re- 
gierung werde die gemachten Vorschläge und Anregungen unter Mit- 
wirkung fachkundiger Kräfte einer abschließenden Behandlung ent- 
gegenführen. Gleiche Teilnahme und Fürsorge, heißt es ferner, 
werden die Interessen des Kleingewerbes finden. Die Rede spricht