Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 26.) 77
nommene Insel ähnlichen Namens: kurz und gut, es waren dort so viele
Zweifel vorhanden, daß ich einer so eng und traditionell befreundeten Re-
gierung und Nation gegenüber, wie es die englische ist, auf keinen Fall
leichtfertig vorgehen wollte, umnicht Anlaß zu einem Konflikt zu geben,
aus dem wir uns entweder in Erkenntnis unseres Unrechts hätten zurück-
ziehen müssen oder ihn durchfechten auf Kosten einer Freundschaft, auf die
wir Wert legen — es ist nur die Vermittlung einigermaßen dadurch ver-
wickelt worden, daß die englische Regierung glaubte, nicht ohne Vorständig-
ung mit der Kap- Regierung, wohin die Verbindung noch nicht so schnell ist
wie zwischen hier und London, in der Sache vorgehen zu können. Es hat
sich hingezogen, und erst die lebhaften Verhandlungen in den letzten Wochen
haben mich erkennen lassen, daß ein günstiges Resultat im Laufe der vorigen
Woche durch eine unumwundene Erklärung der englischen Regierung herbei-
geführt worden, die dahin lautet, daß die englische Regierung lediglich
wünschte, durch einen Notenaustausch die Rechte ihrer Konzessionäre und
Unterthanen, die in jenen Bezirken bereits wohnen, sicherzustellen, kurz, die
Achtung wohlerworbener Rechte von uns zu verlangen — ein selbstverständ-
liches Verlangen, dem wir durch Beantwortung der hierüber zu erwartenden
englischen Note entsprechen werden. Es ist das jederzeit unsere Absicht ge-
wesen, wie wir überhaupt in keine exklusive Kolonialpolitik einzutreten ge-
denken, wie leider andere, weniger mächtige Staaten wie England sie aus
üben und dadurch das Aufblühen und den Handel ihrer Kolonien unter-
drücken. Das liegt nicht in unserer Absicht, sondern ich glaube, soweit wir
überhaupt eine Kolonialpolitik treiben, wird sie selbst die Zufriedenheit
der veränderlichen Parteien in unserm Lande sich zu erwerben vermögen.
Indessen das gehört der Zukunft an, das wollen wir abwarten. Es ist so-
dann von Herrn Richter darauf hingewiesen worden, daß unsere Kolonial-
unternehmungen ganz außerordentlich kostspielig seien und unsern notleiden-
den Reichsschatz in eine noch schlimmere Lage bringen würden als jetzt. Es
ist das allerdings richtig, wenn wir, wie das früher bei ähnlichen Versuchen
geschehen ist, damit anfangen wollten, eine Anzahl von obern und untern Be-
amten dorthin zu schicken und zunächst eine Garnison dorthin zu legen,
Kasernen, Häfen und Forts zu bauen. Das ist aber nicht entfernt unsere
Absicht, wenigstens die meinige nicht. Meine von Sr. Maj. dem Kaiser ge-
billigte Absicht ist, die Verantwortlichkeit für die materielle Entwicklung der
Kolonie ebenso wie ihr Entstehen der Thätigkeit und dem Unternehmungs-
geist unserer seefahrenden und handeltreibenden Mitbürger zu überlassen und
weniger in der Annektirungsform von überseeischen Provinzen an das deutsche
Reich vorzugehen als in der Form der Gewährung von Freibriefen nach Ge-
stalt der englischen royal charters, im Anschluß an die ruhmreiche Lauf-
bahn, welche die englische Kaufmannschaft bei Gründung der Ostindischen
Kompagnie zurückgelegt hat (hört, hört! rechts), und den Interessenten der
Kolonie zugleich das Regieren derselben im wesentlichen zu überlassen und
ihnen nur die Möglichkeit europäischer Jurisdiktion für Europäer und des-
jenigen Schutzes zu gewähren, den wir ohne stehende Garnisonen dort leisten
können. Ich denke mir also, daß man dann entweder unter dem Namen
eines Konsuls oder eines Residenten bei einer derartigen Kolonie einen Ver-
treter der Antorität des Reiches haben wird, der Klagen entgegenzunehmen
hätte, und daß irgend eines unserer See- und Handelsgerichte — sei es in
Bremen oder Hamburg oder wo sonst — die Streitigkeiten entscheiden wird,
die im Gefolge der kaufmännischen Unternehmungen entstehen könnten. Unsere
Absicht ist nicht Provinzen zu gründen, sondern kaufmännische Unternehm-
ungen, aber in der höchsten Entwicklung, auch solche, die sich eine Son-
veränetät, eine schließlich dem deutschen Reich lehnbar bleibende, unter seiner