Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Sept. — Okt. 1.) 97 
des Kanonenbootes „Meteor"“ das für die deutsche Flagge rühmlich und glück- 
lich abgelaufene Gefecht mit einem überlegenen französischen Aviso unter- 
nahm. Wie in den ostasiatischen Gewässern, so werden auch die Schiffe in 
Westafrika sich vorauslichtlich einen oder zwei Zentralhäfen wählen, weil 
naturgemäß nirgends der Stationsdienst an einen festen Punkt gebunden sein 
kann. Die Errichtung der fünften Marinestation wird mit diesem Geschwader 
vor Westafrika nun im umfangreichen Maße fertig werden, und zugleich 
wird diese junge Station diejenige sein, welche die militärisch umfangreichsten 
Mittel besitzt. Fürst Bismarck thut eben das, was er unternimmt, nie halb. 
— September. (Preußen.) Die dänische Agitation in Nord- 
schleswig fängt an, die Presse in hervorragender Weise zu beschäftigen. 
Durch die zahlreichen Ausweisungen, die in den letzten Wochen nötig 
geworden sind, ist man wieder auf die auffällige Thatsache aufmerksam ge- 
macht worden, daß in den zwanzig Jahren, die seit der Erstürmung von 
Düppel und der Eroberung von Alsen verflossen sind, das Deutschtum in 
Nordschleswig so geringe Fortschritte gemacht habe. Es ist doch im Interesse 
der Ausbreitung des Deutschtums als ein schwerer Fehler zu betrachten, daß 
noch bis heute Beamte, Prediger und Lehrer mit dänischer Gesinnung in 
ihren Ämtern belassen worden sind, in deren Häusern kaum ein deutsches 
Wort gesprochen wird, daß noch heute der dänische Unterthan stimmberechtigtes 
Mitglied deutscher Kirchengemeinden ist und so dazu beiträgt, die kirchliche 
Verwaltung in die Hände der Oppositionspartei  zu bringen, wie das ja in den 
meisten Gemeinden Nordschleswigs der Fall ist! Weht doch kaum von einem 
Kirchturm in Nordschleswig am Geburtstage des Kaisers, an den Gedenk- 
tagen der Nation eine deutsche Fahne, hat doch vor kurzem ein Mitglied 
einer Synode die Stirn gehabt, bei dem Konsistorium die Beseitigung des 
Kirchengebets für den Kaiser zu beantragen, und ist doch noch heute die 
dänische Sprache in den meisten Gemeinden Nordschleswigs Kirchen- und 
Schulsprache. Wenn es auch richtig und angemessen ist, den Sprachverhält- 
nissen Rechnung zu tragen, so sollte man doch die deutsche Sprache überall 
zur Schulsprache erheben, wie dies jetzt schon in den Städten und Flecken 
der Fall ist. Namentlich sollte aber doch kein Beamter, kein Prediger und 
kein Lehrer angestellt werden, dessen politische Gesinnung nicht in dieser Be- 
ziehung vollständig zweifellos ist. Nur das entschiedenste Vorgehen der Staats- 
regierung auf diesem Gebiete kann einerseits hier Wandel schaffen und der 
dänischen Agitation einmal ernstlich vor die Angen führen, wer Herr im 
Lande ist, andererseits aber die tiefe Mutlosigkeit beseitigen, die sich heute so- 
vieler Deutschgesinnten in Nordschleswig bemächtigt hat 
1. Oct. (Deutsches Reich.) In Berlin konstituiert sich 
der „Verein zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen von Handel 
und Gewerbe“, der aus Mitgliedern verschiedener Parteien zusammen- 
gesetzt ist. Derselbe zählt bis jetzt 763 Mitglieder Der Verein 
sieht von der Aufstellung eines allgemeinen Programms ab („der 
Deutsche verständigt sich nur schwer über Theorien, leichter aber 
über die sachliche Inangriffnahme praktischer Fragen“) und beschränkt 
sich auf ein einfaches Statut, das einstimmig beschlossen wird. Der 
Mittelpunkt seiner Geschäftsführung soll in Berlin, der Schwerpunkt 
seiner Thätigkeit in einem Ausschusse von 45 Mitgliedern liegen. 
Der Anschluß von Zweigvereinen ist nicht gerade ausgesprochen, 
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXV. Bd.