Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 6—8.) 113
Die Ausübung Meiner Regierung im Herzogtum Braunschweig
ist hiernach zur Zeit auf Hindernisse gestoßen. Das Recht aber Meiner
Thronfolge steht nach Landesverfassung und fürstlicher Familienordnung fest
und ist von keiner Seite angefochten. Ebensowenig sieht Meiner persönlichen
Thronfolgefähigkeit irgend welches rechtliche Bedenken entgegen. Die Versa-
gung Meiner Anerkennung und die Hinderung Meiner Regierung als Her-
zogs von Braunschweig würde daher von Reichswegen nicht ohne einen Ein-
griff in die Rechtsordnung, auf welcher das Deutsche Reich selbst beruht,
möglich sein, einen Eingriff, zu welchem die Reichsverfassung keine Ermachti-
gung gibt und welcher um so bedeutender und gefährlicher sein würde, als
er mit der Beeinträchtigung Meines souveränen Fürstenrechts zugleich das
souveräne Recht aller Mitglieder des Deutschen Reichs gefährden würde. Das
souveräue Recht und die Unabhängigkeit der Mitglieder des Deutschen Reichs
ist durch die Reichsverfassung und die Verträge, auf welche diese Verfassung
sich gründet, nur soweit beschränkt, als es in den Verträgen und der Ver-
fassung besonders bestimmt ist. Vergeblich aber würde darin nach einer Be-
stimmung gesucht werden, welche zu Eingriffen in die nach Landes- und
Fürstenrecht des Einzelstaats wohl begründete fürstliche Erbfolge von Reichs-
wegen berechtigte . . . So genügt die Einsicht in den Wortlaut dieser
Artikel (76, 11 und 17) um zu zeigen, daß auf deren Bestimmungen ein
Recht des Reichs zur Entscheidung von Fragen der Erbfolgeordunng oder
Erbfolgefähigkeit in den einzelnen Bundesstaaten nicht gegründet werden
kann. Vertrauensvoll gebe Ich Mich der Hoffnung hin, daß jede vom deut-
schen Reiche ausgehende Hinderung Meiner Thronfolge und Regierung im
Herzogtum Braunschweig baldigst werde beseitigt werden und Ew. etc. ersuche
Ich angelegentlich, bundesfreundlich hierauf hinwirken zu wollen, indem Ich
die Versicherung voller Erwiderung bundesfreundlicher Gesinnung gegen alle
Mitglieder des Reichs von Meiner Seite wiederhole. Ich schließe mit dem
Ausdrucke Meines lebhaften Bedauerns, daß Ich nach der Ablehnung Meines
Notifikationsschreibens vom 18. d. Mts. seitens Sr. kaiserl. und kgl. Majestät
des deutschen Kaisers und Königs von Preusßen leider Bedenken habe tragen
müssen, zur Zeit ein diesem entsprechendes Schreiben auch an Allerhöchstden-
selben zu richten."
Zu diesem Zirkular bemerkt die „Rat.-Ztg.“: „Auch aus diesem
Schreiben geht, wie aus dem Patent, zur Genüge hervor, welche jesuitischen
Berater dem Herzog zur Seite stehen. Den eigentlichen Grund, der ihn von
der Thronfolge ausschließt, kennt der Herzog so gut, wie ihn die Welt kennt;
es ist dies der Grund, daß in einem Bundesstaate, wie es das deutsche Reich
ist, zwei Kriegsfeinde nicht neben einander regieren können, solange nicht ein
förderlicher Friede zwischen beiden geschlossen ist. Der Herzog weiß sehr wohl,
daß er in einer solchen Kriegsfeindschaft mit dem König von Preußen lebt,
und daß es zunächst seine Aufgabe ist, bei dem siegreichen Herrscher den
Frieden nachzusuchen. Diese Grundbedingung verschweigt wiederum der Her-
zog in seinem obigen Schreiben und kämpft um so lebhafter gegen die Wind-
mühle des Artikels 76 der Verfassung, auf die sich im Ernste schwerlich
jemand berufen haben wird, um den Thronausschluß des Herzogs von Cum-
berland zu rechtfertigen.“
6. Nov. (Deutsches Reich.) Bundesrat: genehmigt seiner-
seits einstimmig den Anschluß Bremens an das Zollgebiet und den
an Bremen zu zahlenden Reichsbeitrag.
8. Nov. (Deutsches Reich.) In Brüssel wird zwischen
dem Deutschen Reiche und der internationalen Kongo- Gesellschaft
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXV. Bd. 8