Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mitte Nov.) 117 
füllen. Vorschläge, die über den Rahmen der Konferenz hinausgehen ver- 
pflichteten nicht die Konferenz, in ihre Beratung einzutreten. Der Fürst 
schloß mit der Zuversicht, daß Gemeinsamkeit der Interessen aller beteiligten 
Nationen einen gedeihlichen Verlauf der Konferenz verbürge. Der Vertre- 
ter Englands Sir Edward Malet verlas darauf eine Erklärung. deren 
wesentlicher Inhalt besagte, die englische Regierung stimme im allgemeinen 
mit den deutschen Vorschlägen überein und unterstütze sie aufs wärmste in 
Übereinstimmung mit der von England stets befolgten Freihandelspolitik; 
dazu gehöre also auch die Handelsfreiheit im Kongobecken und die freie 
Schiffahrt auf den afrikanischen Flüssen. England könne aber hier die 
Handelsfragen nicht von den allgemeinen Kulturfragen trennen, die Einge- 
borenen würden mehr verlieren als gewinnen, wenn die Handelefreiheit ohne 
alle Aufsicht zur Handelszügellosigkeit ausarte. Er müsse daran erinnern, 
daß die Eingeborenen bei dieser Konferenz gar nicht vertreten seien, obglech 
für sie die Konferenzbeschlüsse von äußerster Wichtigkeit sein würden. In 
Bezug aus die Handelsfreiheit im Kongobecken, bemerkte er, diese wäre nur 
trügerisch, wenn nicht gleichzeitig der Weg nach und von der Küste frei sei, 
nicht bloß durch den Kongo, sondern durch alle andern Ein- und Ausgänge. 
Die englische Regierung würde sich dafür aussprechen, daß der Grundsatz der 
Handelsfreiheit  ganz bestimmt klargelegt werde, so daß ein jeder Staat sich 
verpflichten müsse, alle übrigen Nationen derjenigen Vorteile teilhaftig werden 
zu lassen, die er selbst für seinen Handel und seine Unterthanen errungen 
habe. Was die Freiheit der Schiffahrt auf dem Kongo betreffe, so würde 
eine internationale Kommission dieselbe zweckmäßig regeln können; auf dem 
Niger sei die Lage aber eine ganz andere. England betrachte die' Einsetzung 
einer solchen Kommission für diesen Fluß für unthunlich. Hier sei die Ent- 
wicklung des Verkehrs ausschließlich auf englische Einflüsse zurückzuführen. 
Augenblicklich sei er gänzlich in Händen Englande. Die  wichtigsten Stämme, 
die seit langen Jahren die Engländer als ihre Beschützer und Ratgeber be- 
trachten, seien jetzt infolge ihrer dringlichen und wiederholten Bitten unter 
englische Schutzherrschaft gestellt worden. Auf diese Sachlage ließen sich also 
die Grundsätze des Wiener Kongresses nicht einfach anwenden. Der Küsten- 
strich und der untere Flußlauf seien genügend überwacht, um England zu 
gestatten, die Schiffahrt zu regeln, wobei es sich durch eine förmliche Er- 
klärung an die Grundsätze der Handelsfreiheit anlehnen werde. Wolle die 
Konferenz die Handelsfreiheit auch noch auf andere afrikanische Flüsse aus- 
dehnen, so wünsche er besondere Behandlung der einzelnen Flüsse. Der dritte 
Punkt des Programms, die Sicherung der Besitzergreifung, sei noch nicht 
ausreichend klargelegt, doch würde eine Feststellung derselben in Übereinstim- 
mung mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts der Zustimmung 
Englands sicher sein. 
Mitte Nov. (Deutsches Reich.) Die Regierung hat endgültig 
von der Ernennung eines Regierungskommissärs und von einem Reichs- 
beitrag für die Weltausstellung in Antwerpen 1885 Abstand genommen. 
Mitte Nov. (Deutsches Reich.) Die militärische Ver- 
stärkung der Ostgrenze findet im Budget für 1885,86 zum ersten- 
mal ihren ziffernmäßigen Ausdruck. Sie ist nicht sehr bedeutend 
und beschränkt sich wesentlich auf die Bildung einer neuen Kavallerie- 
Division schon im Frieden. Deutschland hat also deren fortan im 
Frieden 4, Frankreich 5, Rußland 14.
	        
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