Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

142 Die Oesterreichisch-Angarische Monarchie. (Jan. 22—24.) 
Seiten ohne Ausnahme geforderten und offenbar dringend notwen- 
digen Verbesserung der vielfach sehr mangelhaften und willkürlichen 
Verwaltung. 
22. Jannar. (Oesterreich.) Wiederzusammentrikt des Reichs- 
rats. Die Negierung bringt eine Vorlage belr. Erwerbung der 
Franz-Josefbahn, der Rudolfbahn und der Vorarlbergerbahn für 
den Staat ein. 
22. Januar. (Ungarn.) Tisza kommt auf zwei Tage nach 
Wien, um sich mit dem Kaiser über seine Haltung gegenüber der 
reaktionären Mehrheit des Oberhauses zu benehmen. Der Kaiser 
verständigt sich mit ihm und beruft zwei der Führer der Oberhaus- 
mehrheit nach Wien ad audiendum verbum. 
24.—29. Jannar. (Oesterreich.) Reichsrat: Große Debatte 
über den Antrag Wurmbrand: „Die k. k. Regierung aufgufordern, 
in Ausführung des Art. 19 des Staatsgrundgesetzes vom 21. De- 
gember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger einen 
Gesetzenkwurf einzubringen, wodurch unter Festhaltung der deutschen 
Sprache als Staatssprache der Gebrauch der landesüblichen Sprachen 
in Amt, Schule und öffentlichem Leben geregelt wird.“ Die Ver- 
einigte Linke tritt für den Antrag mit dem größten Nachdruck ein, 
allein umsonst: das Exekutivkomitee der Rechten hatte schon vorher 
beschlossen, den Antrag und alle Modifikationen oder Tagesordnungen 
dazu einfach abzulehnen. Die Regierung schweigt. Zuerst wird von 
der Rechten der Schluß der Generaldebatte erzwungen und zwar in 
zweimaliger namentlicher Abstimmung, erst mit 171 gegen 169 und 
sodann mit 174 gegen 168 Stimmen und hierauf der Antrag Wurm- 
brand felbst und alle anderen verworfen. Der Gegenstand ist damit 
erledigt. 
In der Debatte betonte Graf Wurmbrand, daß er und seine An- 
hänger deshalb die Kodifizierung des bestehenden Verhällnisses wollen, um 
Oesterreich so zu erhalten, wie es war. Er wies darauf hin, daß bei seiner 
Rede das Ministerium gar nicht einmal auf seinen Bänken sich befinde. 
Wenn man heute die oberste Schichte des Verwaltungsapparates abhebe, 
welche sich germanisiren mußte, weil das Deutsche die Staatssprache war, 
und wenn man die Gebildeten der Slädte, welche eben nicht anders sprechen 
wollen, abrechne, so finde man die eigentliche Bevölkerung in denselben 
Grenzen, wie sie vor sechshundert und siebenhundert Jahren bestanden haben, 
überall dasselbe Volkstum, derselbe ethuographische Charakter. Wemn eine 
Nationalität in! Oesterreich, als Volk betrachlet, zurückgedrängt worden ist, so 
seien es die Deutschen. Oesterreich jei das liberalste Land in Bezug auf 
Sprachenbehandlung. Sein Antrag gelte nur für heute, morgen und über- 
morgen vielleicht nicht. Es sei daher nur eine günslige Gelegenheit für die 
Rechte, dem Antrage zuzustimmen. Es feien die allergeringsten Prätensionen,