152 Dit Oefterreichisch-Ungarische Monarchit. (Maärz 26 — Ende.)
taue Lienbacher die Unhaltbarleit der von der Regierung bisher festgehaltene
Auffassung von nationaler Gleichberechtigung mit aller erdenklichen Schärfe und
Vollständigkeit auseinander. Ob unter den landes eüblichen Sprachen, sagteer, deren
EGleichberechligung das Staatsgrundgesetz ausspricht, die s Landessprachen oder nur
die in gewissen Bezirken üblichen Sprachen zu verstehen seien, darüber könne
Streit herrschen, daß aber dem Staatsgrundgesepe in dem einen Lande nicht
ein anderer Sinn beigelegt werden könne, als in dem andern, das sei un-
wweiselhaft. Wenn demnach es ein Postalut der Gleichbercchtigung. ist, daß
das Cjechische im ganzen Umkreise von Böhmen, auch in dem großen dent-
schen Sprachgebiete dieses Landes Amtssprache sei, daunn muß das Slovenische
auch in dem deutschen Theile der Steiermark, das Italienische in Nordtirol,
das Ruthenische in gunz Galizien, ja das Czechische und Polnische zugleich
in allen Bezirken des überwiegend deutschen Schlesien Amtssprache sein. Vor
dieser Konsequenz schreckte das Ministerinm bisher zurück, und deswegen er-
lies es eine andere Sprachenverordnung für Böhmen, eine andere für Schle-
sien, eine andere für Steiermark und gar keine für Tirol und Galizien. Der
cjechische Minister u. Prazak antwortete Lienbacher mit der Verufung auf
die „geschichtliche Entwicklung“, welche bedinge, daß die Gleichberechtigung
nicht überall die gleiche sein könne; aber ist das eine Erwiderung? oder nicht
vielmehr eine wächserne Nase, ans der man machen kann, was man will?
eine schwache Hülle für das Prinzip der reinsten Willkür?
26. März. (Bosnien und Herzegowina.) Der ungarische
Reichstag genehmigt seinerseits den Ban der Vahn Mostar-Metkovic.
Die Regierung beschließt, die Okkupationstruppen in nächster
Zeit um 5000 Mann zu reduzieren. Immerhin bleiben auch dann
noch 29,000 Mann in den beiden Provinzen.
28. März. (Ungarn.) Reichstag: Im Laufe der Debatte über
das Gewerbegesetz spricht sich Tisza entschieden gegen Zollschranken
gegenüber Oesterreich, wie sie die äußerste Linke verlangt, aus, weil
hiedurch den ungarischen Rohprodukten ein sehr wichtiges Absatz-
gebiet entzogen würde.
Ende März. (Oesterreich: Böhmen.) Die in den deutschen
Kreisen herrschende Stimmung ist rachgerade eine so verbitterte, daß
die „Deutsche Ztg.“ es als ihre publizistische Pflicht betrachtet, ernst-
lich davor zu warnen, daß man die unausgesetzte Provokation des
deutschen Elements in Böhmen länger fortsetze:
Die Agitation zur Gründung cgechischer Schulen in deutschen Orten,
meint sie gießt Ol in das Feuer der nationalen Erregung. Die Czechen
haben seinerzeit damit brgorkeen. förmliche Proskriptionslisten solcher deut-
scher Handwerker und Geschäftsleule zu veröffentlichen. welche bei Wahlen
nicht mit der czechischen Partei gingen. In Reichenberg und anderen deutsch-
böhmischen Städten ist man, um von czechischen Schulen verschont zu bleiben,
gegenwärtig in vollem Zuge, die Auswanderung aller jener Czechen zu er-
zwingen, welche den rein deulschen Charakter dieser Orte durch Schaffung
czechischer Schulen und sonstiger Institutionen zu beeinträchtigen streben.
Vereine und Verbindungen bilden sich dort allerwärts, deren Mitglieder sich
gegenfeitig verpflichten, czechischen Geschäftsleuten und Professionisten keine
Wohnung in Miele zu geben, mit ihnen keine geschäftlichen Beziehungen zu