Die Oesterreichisch-Mugarische Monarchie. (April 2—6.) 153
pflegen und dergleichen. Dazu kommt noch, daß in Nordböhmen die Partei
stündlich an Boden gewinnt, welche in der vollständigen Zweiteilung Böh-
mens in zwei Provinzen, deren Verwaltung und Gerichtsbarkeit von einander
gänglich unabhängig zu sein hätie, die einzige Gewähr für die Sicherheit
des deutschen Elemenks vor der manlwurfsarligen Agitation der cgzechischen
Führer erblickt. Es hieße sich selbst tänschen. wenn man verkennen wollte,
daß die vorgeschrittenste Nichtung der deutschnationalen Partei, welche ent-
schlossen ist, alle Konsequenzen ihres Programms zu ziehen, in den nächsten
Jahren in den deutsch-böhmischen Bezirken ein unbestrittenes Ubergewicht er-
langen wird."“
2. April. (Oesterreich.) Die Regierung läßt dem Statt-
halter von Böhmen, Baron Kraus, die Weisung zugehen, die Prager
Handelskammer aufzulösen und Neuwahlen nach der der deutschen
Mehrheit der Kammer aufoktroyierten neuen Wahlordnung anzu-
ordnen. Die Kammer wird dadurch den Czechen ausgeliefert, wie
schon früher die Handelskammern von Budweis und Pilsen. Die
Deutschen sehen darin eine neue Parteinahme der Negierung für
die Czechen.
3. April. (Oesterreich.) Reichstag: nimmt die Branntwein-
steuer-Vorlage der Regierung, die ihr einen Mehrertrag von ca.
4 Mill. Gulden sichern soll, mit einer von den Polen verlangten
Modifikation an und vertagt sich darauf bis zum 25. April.
3. April. (Oesterreich.) Reichsrat: Gewerbeausschuß: be-
schließt leichten Hergens die Einführung eines Normalarbeitstages
von 11 Stunden und die Einführung strengerer Sonntagsruhe.
Es wird dabei ein Unterschied zwischen Sonntagen und Feiertagen
gemacht, und gleichzeitig wird der Negierung die Vollmacht erteilt, bei ein-
zelnen Gewerbskategorien die Sonntagsarbeit zu gestatten. Zu diesem Zwecke
muß, nach dem Beschlusse des Ausschusses, der Handels zminister mit dem
Minister des Innern und mit dem Kultusminister sich ins Einvernehmen
setzen. Die Gewerbenovelle ist nnnmehr zur Plenarberatung reif und soll
nach den Osterferien vor das Abgeordnetenhaus kommen. Indes wird selbst
in offiziösen Blättern vor übereiltem Vorgehen betreffs der Einführung des
Normalarbeitstages gewarnt.
5. April. (Oesterreich und Ungarn.) Zwischen den beiden
Regierungen bricht ein Streit über die Verproviantierung Wiens
mit ungarischen Ochsen aus, der sog. Ochsenkrieg, in dem jedoch die
österreichische Regierung schließlich den Kürzeren zieht und nach-
geben muß.
6. April. (Oesterreich--Ungarn.) Das Neichs-Gesetzblatt
publiziert erst jetzt die ratifizierte Eisenbahnkonvention, welche mit
der Türkei, Serbien und Bulgarien am 9. Mai v. J. abgeschlossen
wurde. Die RNalifikation scheint auf große Schwierigkeiten gestoßen
zu sein und die Türkei scheint zur Ausführung der Konvention auch