Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Die Gesterreichisch-Angarische Monarchie. (Ende Mai — Anf. Juni.) 161 
wissen will, wird der liberale Großgrundbesitz aus Opportunitätsgründen der 
neutralen Mittelpartei acht Landtagssite konzedieren, so daß möglicherweise 
diese das Zünglein an der Wage bilden würde, indem die Czechen Aussicht 
haben, eine Anzahl Sihe zu gewinnen. Auch in Oberösterreich, wo be- 
kanntlich anläßlich der Neichsratswahlen eine willkürliche, vom Reichsgericht 
verurteilte Anderung der Wahlliste zu Gunsten der Konservativ-Klerikalen 
vorgenommen worden, wird die deutsche liberale (Partei wahrscheinlich ihre 
Majorität — bisher 27 Liberale gegen 23 Klerikale — verlieren, nachdem 
sie auf den Großgrundbesitz in diesem Kronlande nicht mehr rechnen kann. 
In Steiermark, wo die flovenische Agitation höchst thätig, wird es ihr 
indes keinenfalls gelingen, den Deutschen die Majorität — bisher 43 Deutsch- 
Liberale gegen 20 Klerikal-Nationale — zu enlreißen. Weniger bewegt wird 
sich die Wahlkampagne in Schlesien gestalten, in dessen Landtage bisher 
28 verfassungstreue 2 nationalen Abgeordneten gegenüberstanden. Dagegen 
dürfte der Landtag der Bukowina, wo im Jahre 1878 15 veriaffungs streue 
und 15 nationale Abgeordnete gewählt wurden, möglicherweise der Linken 
verloren gehen. In Kärnten, Salzburg und Vorarlberg wird in der 
Zusammensehzung der Landtage kaum eine Anderung eintreten, da in dem 
erstgenannten Lande die Liberalen, in lehteren die Klerilalen einen festen und 
verläßlichen Anhang besitzen. Auch in Niederösterreich vermögen die 
Wahlen höchstens das Parteienverhältnis zu verschieben, nicht zu ändern und 
umgugestalten. Allerdings werden wohl in Wien die Anlisemiten und die 
mit ihnen verbündeten Elemente zum Kampf gegen die Deutsch-Liberalen auf 
dem Plan erscheinen, kaum aber einen Erfolg erringen. 
Ende Mai. (Oesterreich: Istrien.) Wie in Dalmatien so 
sind auch hier die Slaven infolge einer Agitation, in der sie alle 
Kräfte zusammen nehmen, und mit Hilfe namentlich der Geistlichen 
und Schullehrer drauf und dran, definitiv das übergewicht über das 
italienisch-liberale Element und die im Lande zerstreuten Deutschen 
zu erringen. 
Anf. Juni. (Oesterreich-Ungarn.) In der Adria werden 
große Vorbereitungen gemacht, die gesamte österreichische Flotte in 
Pola zu konzentrieren, wo im Laufe des Monais zum erstenmale 
große Flottenmanöver ausgeführt werden sollen. 
Es wird dies für durchaus notwendig erachtet, um zu einer Hebung des 
österreichischen Marinewesens zu gelangen. Denn die Marine war bisher das 
Stiefkind wenn nicht der Regierung doch der Parlamente und der Delega- 
tionen und der öffentlichen „Meiunng. Es wird denn auch nachdrücklich beklagt, 
daß, während in anderen Ländern das Parlament Mitglieder enthalte, welche 
maritime Fachmänner seien, es in Oesterreich keinen einzigen solchen Abge- 
ordneten gebe, daher die fortgesehte übel angewendete Sparsamkeit in den 
Delegationen bei Bewilligung der für die Entwicklung der österreichischen 
Kriegsmarine unumgänglich nötigen Geldmittel, in deren Folge dieselben be- 
züglich des Baues und der Ausrüstung ihrer Kriegsfahrzeuge weit hinter 
allen andern Kriegsflotten zurückbleibe. Anstatt neue Schiffe zu bauen, müssen 
die alten vorhandenen fortwährend, und zwar mit großen Kosten, umgebant 
werden; auch mußte man sich, da die Delegationen beharrlich die nötigen 
Mittel bazu verweigerten, statt mit 12= und 16zölligen Panzern mit 8zölligen 
und darunter behelfen. Dieselben Klagen ertönen auch bezuglich des Schiffs- 
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXV. Md.
	        
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