Die Oesterreichisch Angarische Monarchie. (Sept. 6.) 1
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ocche, Fälle als gerechtfertigt, in welchen das Kleingewerbe sich im Konkurrenz-
kampfe mit der völlig ungeregelten Haus eindustrie und dem Eitesellenunwesen
befindet. 7) In Erwägung, daß die Teuerung der notwendigsten Lebens-
bedürfnisse, die Verarmung des Mitlelstandes und die Notlage der arbeiten-
den Bevölkerung in unserem Staate in den letten Jahren einen bis her noch
nicht dageweseuen Höhepunkt erreicht haben und inimer noch in der Zunahme
begriffen sind; in Erwägung, daß die Steuerlast im Entgegenhalle zu dem
Erwerbe für die Bevöõlkernng drückend genannt werden müsse; in Erwägung,
daß unsere Zoll- und Handels gesetzgebung der österreichischen Arbeit und
Produktion noch immer nicht genügenden Schutz gewährt; in endlicher Er-
wägung, daß unser Geld entwertet (20 Prozent Agio) und infolge dessen
der Kredit für die Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe viel zu tener
ist, hält sich die Versammlung für verpflichtet, ihrer patriotischen Üüberzeugung.
dahin Ansdruck zu geben, daß es die Pflicht der Staatsverwaltung ist, un-
verweilt eine Besserung dieser Zustände anzubahnen. Es wäre demnach vor
allem die dauernde Beseitigung des Disagios (die Regelung unserer Geld= und
Kreditverhältnisse), ein ausreichender Zollschutz und eine gerechte Verteilung
der Stenerlasten ohne Anserlegung neuer Stenern durchuführen.“
Diese Resolutionen gehen schon sehr weit. In den Debatten gingen
indes die Forderungen der Kleingewerbemeister noch viel weiler. Es wurde
von allen erdenklichen Dingen gesprochen, welche andere Leute haben und
welche die Kleingewerbekreibenden haben möchten; von allen möglichen Be-
rufsklassen, welche dem „RKleingewerbe“ unbeauem sind und deren Einschrän-
kung oder Vernichtung die Gesetgebung für die Herren vom Kleingewerbe
zu besorgen hätte. Es ist mitunter verblüffend, bis zu welcher Aufrichtigkeit
die einzelnen Reduer sich dabei versteigen. Diese Aus eührungen sind sehr lehr-
reich, weil sie die richtige Illustration für die Veschlüsse des Gewerbelages
bilden. Das Um und Auf der Debatten und Beschlüsse des Gewerbetages
besteht darin, daß die Industrie ruiniert werden muß, damit das Klein-
gewerbe sich au deren Stelle sehen könne. Die wenigen Nedner, welche es
versuchten, in dieser Beziehung eine gewisse Mäßigung zu empfehlen, wurden
einfach niedergeschrien. Wie verhält sich aber zu dieser Forderung des Ge-
werbetages die Schutgollpolitik der Regierung? Eine Regierung, welche die
Entwicklung einer Großindustrie für notwendig hält und sie fördert, ist ja
vor den Angen des Gewerbetages schon gerichtet. Die Hanudels-politik
der Regierung hat die Exporkindustrien vernachlässigt und die indn-
strielle Produktion auf den inländischen Markt verwiesen,
welchen sie ihr durch hohe Schutzgölle sichert; auf dem Gewerbe-
tage wird dagegen die Forderung erhoben, die österreichischr Industrie
möge nach dem Auslande exportieren.) den inländischen Markt
aber dem Kleingewerbe überlassen. Diese Leute, welche sich als die
Vertreter des österreichischen Gewerbestandes gerieren, sind durch ihre bis-
herigen, in der That unglaublichen Erfolge förmlich berauscht nrd nehmen
keinen Anstand, die lehten Konseguenzen der ganzen unmöglichen Bewegung
auszusprechen. „Man hat“, meint ein Wiener Blatt, „die jetzige Bewegung
im Kleingewerbe großgezogen, man hat jeden Handwerter, der sich vor der
Konkurrenz des Tüchtigeren fürchtet, als ein Opfer der liberalen Staats-
wirtschaft hingestellt, man hat den Gewerbetag wie ein förmliches Parlament
behandelt, so daß es kein Wunder ist, daß die Herren Kleingewerbetreibenden
sich schließlich als den Mittelpunkt der Welt betrachten, um den alles andere
sich zu drehen hat. Es wäre das Allerbeste, wenn ein neues Staatsgrund-
gesetz dekretiert würde, welches lautet: „Jeder Staatsbürger ist verpflichtet,
nur bei dem Kleingewerbetreibenden einzukaufen.“
6. September. (Oesterreich: Oberösterreich.) Bischof Rudigier