Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

176 Die Oesterreichisch-Augarische Monarchie. (Sept. 9—10.) 
versucht es, den Lehrer Nohrweck als solchen vor sein geistliches Ge- 
richt zu ziehen: 
„Sie sind angeklagt, daß Sie Ihr Lehramt zur Gefährdung des katho- 
lischen Glaubens bei den Schulkindern mißbrauchen. Nachdem der k. k. 
Landesschulrat, der vom bischoflichen Ordinariate zum Einschreiten gegen Sie 
ersucht wurde, bieher lediglich nichts erwidert hat, bleibt mir nichts anderes 
übrig, als daß ich Sie in Untersuchung ziehe und eventuell das kirchliche 
Strafverfahren gegen Sie einleite. Rraft meiner bischöflichen Amtsgewalt 
über alle katholischen Chriften der Diözese fordere ich Sie daher auf, sich zur 
Vernehmung mir vormmstellen. Ich wünsche aufrichtigst, daß Sie mich durch 
eine Erklärung, die eines katholischen Mannes und Lehrers würdig ist, der 
peinlichen Nolwendigkeit entheben, eine Strafe gegen Sie zu verhängen.“ 
Nohrweck leistet der Aufforderung keine Folge und auch der Landesschulrat 
weigert sich, sich zum Werkzeug des Bischofs herzugeben. 
9. Seplember. (Oesterreich.) Eröffnung der Landtage von 
Böhmen, Steiermark, Krain und Schlesien. 
9. September. (Oesterreich: Salzburg.) Resultat der Land- 
tagswahlen: 16 Klerikale und 10 liberale Mitglieder. 
Die diesjährige Landtagswahlkampagne hat damit ihren Abschluß ge- 
sunden. Die offiziöse „Presse“ konstakiert, die Ergrbutse vom Jahre 187 
mit jenen dieses Jahres vergleichend, folgendes Resultat: Was den Gro roß= 
grundbesitz anbelangt, so gehörten von den 96 im Jahre 1878 gewählten 
Abgrardueeten 81 der Linken, 15 der konservativen Partei an; heuer wurden 
63 Abgeordnete von der Kouleur der Vereinigten Linken und 33 Konservative 
gewählt. Die Opposition verlor 8 Mandate an die mährische Miltelpartei 
und 10 Mandate an die Klerikalen in Oberösterreich. Von den 147 slädti- 
schen Bezirken waren früher 136 durch liberale, 5 durch klerikale, 3 durch 
chechische und 2 durch autonomistische Abgeordnete (Bukowina) vertreten; 
diesmal wählten die Städte und Handelskammern 127 Deputierte der Linken, 
5 klerikale, 13 czechische und 2 autonomistische Vertreter; ein nener Wahl- 
bezirk (Tornbirn) trat hinzu. In dieser Kurie verlor demnach die Oppo- 
sition 9 Stimmen. Von den 143 Mandaten der Landgemeinden hatten im 
Jahre 1878 50 Deutsch-Liberale, 33 Klerikale, 7 Slovenen, 22 Czechen, 
2 Polen und 9 Antonomisten Mandate im Besihe; iett sind 42 Wahlbezirke 
durch deutsch- liberale 50 durch klerikale Abgeordnete, 4 durch Anhänger der 
Bauernpartei, 9 durch Slovenen, 23 durch Czechen, 3 durch Polen und 12 
durch Autonomisten vertreken; somit verlor die Linke in dieser Kurie 8 Sitze 
Alles in allem verlor demnach die Vereinigte Linke in der diesjährigen Wöhl- 
kampagne 35 Mandate. 
10. September. (Ungarn.) Ministerpräsident Tisza hält in 
Großwardein vor seinen Wählern eine Programmrede. 
Er erklärt den europäischen Friden, nach wahrscheinlicher Voraussicht 
für dauernd gesichert. betont die Aufgabe der Herstellung des Gleichgewichts 
im Staatshaushalt und kündigt außerordentliche, aber geitlich begrenzte und 
nur auf gewisse Punkte beschränkte Maßregeln gegen die nationale, konfessio- 
nelle und soziale Agitation, sowie die Reform des Oberhauses an, wonach 
Geburt und Zensus zur Milgliedschaft berechtigen, lebens clängliche Mitglieder 
ernannt werden und sämtliche Konfessionen vertreten sind. Tisza verspricht 
die Verlängerung der Mandatsdauer der Abgeordneten auf fünf Jahre und 
spricht sich entschieden für Erhaltung des gemeinsamen Zollgebietes aus. 
 
	        
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