Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

226 Großbrilannien. (Sept. 10 — Mitte.) 
land und Schottland das Bestreben Deutschlands, überseeische Kolonien zu 
gründen, mit scheelen Augen ausehen. Nun, ich spreche gegenwärtig vor 
5000 bis 6000 Schotten, und ich frage, ob, wenn Deutschland die Mittel 
hat, sich auszudehnen und seine Rinder nach unokkupierten Gegenden der 
Erde zu senden, mit gehöriger Verücksichtigung der Rechte, der älteren Rechte 
anderer Nationen und mit gehöriger Berücksichtigung der Rechte der urein- 
geborenen Bevölkerung, wir nicht mit Befriedigung, Sympathie und Ver- 
gunügen auf diese Ausdehnung Deutschlands in diesen oder anderen Plätzen 
der Erde, sowie auf die Auedehnung der Zivilisation und auf die Aussicht, 
diese wüsten Orte von einem intelligenten und fleißigen Gemeinwesen bevölkert 
zu sehen, das dem Boden des Landes neue Quellen für den Romfort der 
Monichher abgewinnt. blicken sollten. Es wäre eine sehr niedrige Gesinnung 
unsererseits, auf Deutschland eifersüchtig zu sein. Deutschland kann dieses 
Land nicht beranben, selbst wenn es dies wollte; es kann England nicht seine 
Kolonisierungseigenschaft rauben. Gott der Allmächtige hat der Bevölkerung 
dieser Insel die große Obliegenheit und die Pflicht der Kolonisierung auf- 
erlegt, und diese Pflicht ist durch eine ziemlich liberale Aneignung von nicht 
okkupierten Ländern erfüllt worden, und komme was wolle, so ist es Sache 
anderer Länder, zu erwägen, ob und inwieweit durch Acqnisilion von Kolonien 
ihre politische Stärke vermehrt werden wird. Doch auf diesen Punkt will 
ich nicht näher eingehen. Ich will die Frage nicht erörtern, und wenn ich 
eine eigene Meinung darüber hätte, würde ich sie nicht äußern. Aber soviel 
sage ich, daß es eine Funktion ist, welche sie nur als Kolonisten mit Vorteil 
für sich selber und für uns ansüben können, und ich wünsche ihnen guten 
Erfolg in dem Werke.“ 
— September. (Südafrika.) Die Volksvertretung der Re- 
publik Transvaal hat dem Vertrage mit England, in Berücksichti- 
gung der durch Wiederherstellung der Landesunabhängigkeit gezeigten 
Großmut, ihre Zustimmung erteilt, jedoch nur unter Protest. Der 
WVolksrat in Pretoria protestiert bez. dreier Punkte: gegen Englands 
Einspruchsrecht bei Abschluß von Verträgen der Republik mit an- 
deren Mächten, verlangt eine andere Grenzregulierung, zumal an 
der Meergrenze, und anerkennt die Schuld nicht. Der Beschluß ist 
für England fatal. Denn es liegt auf der Hand, daß die Boeren 
nur der Gelegenheit harren, ihren Protest abermals in eine That 
umzuwandeln. 
10. September. (Ostindien.) Lord Dufferin, der vielgenannte 
Botschafter Englands in Konstantinopel, wird zum Vizekönig von 
Ostindien ernannt an die Stelle Lord Ripons. 
Mitte September. Momentan werden alle anderen Fragen 
in der öffentlichen Meinung durch die sog. Flottenfrage verdrängt, 
d. h. durch die Frage, ob die Flotte in ihrem gegenwärtigen Be- 
stande genüge, um die Herrschaft Englands zur See für alle Fälle 
aufrechtzuhalten. Die Antwort lautet überwiegend mit Nein und 
es wird daher eine starke Vermehrung der Flotte mit steigendem 
Eifer verlangt.
	        
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