Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

242 Tranbreich. (Febr. 14 — Mitte.) 
ständig untergebracht und zwar solid in die Hände meist kleiner 
Kapitalisten. Die Börse betrachtet indes das Resultat wie einen 
halben Mißerfolg, weil der geforderte Vetrag nicht zehn= und zwanzig- 
mal übergeichnet worden ist, was sie allerdings wohl zustande ge- 
bracht hätte. 
14. Februar. Die Negierung ist bereits mit der Feststellung 
des Budgets für 1885 beschäftigt. Die Finanglage ist indes eine 
zum mindesten knappe und das Budget nur schwer ins Gleichgewicht 
zu bringen. Die Regierung beschließt daher, keine neue Ausgabe in 
das Budget aufzunehmen und demnach alle Gesetzentwürse, aus 
denen für 1885 neue Lasten für den Staatsschatz sich ergeben würden, 
bis auf weiteres zu vertagen. In erster Linie trifft dieser Beschluß 
den Gesetzentwurf über die Erhöhung der Gehalte der Schullehrer. 
Die Vudgetkommission erklärt sich damit einverstanden. 
Auch die öffentliche Meinung erklärt sich damit meist einverstanden. 
„Allein — meint eine jedenfalls nicht ganz unberchtigte 2 (nsicht — die 
össentliche Meinung erfaßt meist nur das Oberflächliche. Das Geschrei über 
die überschwenglichen Ausgaben für Schulen und aintensschamgelegenhyuten, 
für Eisenbahnen und Kanalbanten wird allgemein wiederholt 
Regierung gibt dem Lärm nach und sträubt sich gegen die sofortige Ge- 
haltserhöhung der schlecht besoldeten Lehrer; sie stellt die Bahnbanten teil- 
weise ein und wird mit den Arbeiten forkau langsamer vorangehen. Und 
doch ließe sich an anderer Stelle des Budgets weit eher ersparen. In keinem 
Lande gibt es so viele unbeschäftigte Beamte, in jedem Ressort könnte, ohne 
daß der Staatsdienst darunter litte, eine Menge Angestellter entlassen werden; 
im Gegenteil, die Arbeit würde sicherlich durch eine geringere Anzahl von 
Personen pünktlicher und besser besorgt werden. Doch daran wagte bisher 
noch kein Minister zu rühren. Die ständigen Beamten der so häufig wechseln- 
den Minister besitzen eine Macht, von der man sich keinen Begriff macht, 
einen Einfluß. dessen sie sich bewußt sind und dessen sie sich zu bedienen ver- 
stehen, und einen Dünkel, der das Erdenkliche berstegl. An diese chinesische 
Mauer hat noch kein gli die Hand gelegt, und da wären mit einem 
Striche etliche 100 Mill. Fr. (22) dem Staatshaushalte zu erübrigen. Viel- 
leicht taucht bei der künftihen Budgetdebalte dieje wichtige Frage auf, vielleicht 
erkühnt sich ein Abgcordneter, diesen Krebsschaden der französischen Verwal- 
tung aufzudecken und hineinzuschneiden. Das alte Wort von der „Verwal- 
tung, um die uns die ganze Welt beueidet“ — eines der Nonher'schen pom- 
pösen und schalen Schlagwörker — hat längst seinen Wert verloren. Man 
steht auf dem Punkte, darin klar zu schauen, und die Arbeiternot — die 
übrigens durch die Ränke der Monarchisten und Klerikalen über die Maßen 
ausgebeutet und übertrieben worden — dürfte den Aulaß geben, einmal 
genauere Einsicht von den Staatsbeamten und ihrer Thätigkeit zu nehmen, 
deren Leistung — kaum 6 Stunden pro Tag — in keinem Verhälluis steht 
zu dem, was die vielbeklagten Arbeiter oder die Angestellten i in allen Zweigen 
des Handels und der Industrie zu schaffen haben.“ 
Mitte Februar. Ministerpräsident Ferry richtet ein sehr ver- 
bindliches Dankschreiben an den Papst für die „Mäßigung“ in seiner 
letzten Enungiation. Ferry sucht überhaupt mit der Kurie möglichst
	        
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