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das Nekrutierungssystem. Nachdem der General die Entstehung und die Ent-
wicklung der beutigen Militärgesehe geschildert hatte, ging er auf das Avance-
ment über. Alle Offiziere müssen ein und denselben Ausgangspunkt der
Karriere haben. Das heutige System begünstige zu sehr die Wohlhabenden,
welche in ihrer Ingend eine gute Erziehung genossen haben, zum Nachteil
der vom Schicksal minder begünstigten anderen Offiziere, welche bei der per-
manenten Verührung mit der Truppe sich große militärische Vorzüge ange-
eignet haben. Für das spälere Avancement allerdings sei die Auswahl
zwischen den am meisten Befähigten zu empfehlen, und der Kriegsminister
verlichtel gern auf sein unbedingtes Ernennungsrecht, um dasselbe teilweise
einer Kommission zu überlragen, welche die Offizierskandidaten nach gewissen
Normen prüfen und deren Befähigung konstatieren wird. Abg. de Roys ist
ebenfalls dafür, daß sämtliche OffiJziere erst als Soldaten dienen müssen.
Was die Spezialwaffen bekrifft, welche eine größere technische Ausbildung
erfordern, so müßten die Offizierskandidaten zuerst einige Zeit im Regiment
gedient haben, ehe sie auf die Kricgsaladenie oder Spezialschule kommen.
Die aus sschließliche Rekrutierung des Offizierskorps aus Unteroffizieren würde
hente keine so großen Vorleile mehr bieten, als man sie früher erwartete.
Die Hauptsache bleibe, daß niemand zu einer höheren Charge vorrücken darf,
wenn er icht den Nachweis geliefert hat, daß er die nötigen Fähigkeiten
besitzt. Der Entwurf der Kommission (deren Berichterstatter Hr. de Noys
ist) hat durchaus nicht den Auspruch, eine radikale Anderung zu erzielen;
er begnügt sich damit, einige Mängel ab#uschaffen und das Bestehende zu
verbessern, indem er beipielsweise das Avancement der bis jetzt einzig maß-
gebenden Willkür der Korpskommandanten entzieht.
24.—27. März. Kammer: Interpellation und Debatte über
den Krieg gegen Madagaskar.
Ministerpräsident Ferry erklärt: Frankreich verfolge auf Madagaskar
einen ziilifatorischen Zweck; feine Ansprüche basieren auf den Verträgen von
150 und 1868. Die Verhandlungen seien unterbrochen gewesen, aber am
1. Februar d. J. wieder aufgenommen worden. Es sei sehr zu wünschen.
daß sie zum Michluß eines Vertrages führen, der den Bölkerschaften im
Nordwesten der Insel und den frangösischen Staatsangehörigen Schutz ge-
währe; denn es sei unzulässig, daß alle Ansländer, die Franzosen allein
ausgenommen, Eigentum auf Madagaskar follten erwerben können. Das
Aufwerfen der Sonveränctätsfrage würde zu einem Krieg auf Leben und
Tod mit den Howas führen und eine Eroberungspolitik involvieren, man
müsse sich daher weise mit der Erzielung praktischer Resultate bescheiden.
Die tunisische Angelegenheit sei beendet und die longking'sche nähere sich ihrem
Ende; es wäre nicht verständig, ein neues Unternehmen zu beginnen; wenn
die Verhandlungen indessen zu keinem Ziele führen sollten, würde nichts
unterbleiben, um die Howas, die Frankreich nicht ungestraft Trotz bieten
dürfen, zur Unterwersung zu zwingen. Schließlich verlangt der Minister-
präsident eine Tagesordnung, welche die Politik des Aufgebens des Unter-
nehmens ausschließe, und die Details der Frage einer Kommission zuweise,
mit welcher die Regierung sich verständigen werde. Die Kammer nimmt mit
450 gegen 32 Stimmen eine Tagesordnung an, wonach alle Rechte Frank-
reichs auf Madagaskar aufrechtguerhalten sind und die K. reditforderung einer
besonderen Kommission überwiesen wird. — In der Debatte stellte sich heraus,
daß die monarchisch-klerikale Opposition der Rechten darnach strebt, die Ne
gierung der Nepublik zu einem katholischen Krenzzug gegen die Königin der
Howas oder, was ebensoviel ist, gegen die protestantischen und englischen
Missionäre zu verleilen, welche auf Madagaskar den Katholiziemur und die