Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

NAalien. (Mitte Jan.) 293 
Ju Einem Punlle hat indes der Vatilan ieinen Willen doch durch— 
gesetzt. Er hatte gedroht, dem Panihron den kirchlichen Charakter zu nehmen, 
salls die Absicht der Negierung, die Leiche des Rönigs im Mittelpunkte unter 
der Kuppel des Tempels auf einem großen monnmentalen Sarlophage bei- 
Jusehen, zur Ausführung gelangt wäre. Al= Grund dieser Drohung fühne 
die RKurie eine alte päpstliche Bulle an. welche ein= für allemale verfjügte, 
daß im Zeutrum aller Kirchen nur die Leichen von Heiligen ihre Grabstältie 
finden dürfen. Da aber der verstorbene Konig den bestimmten Willen aur 
gesprochen hatte. in geweihter Erde zu ruhen, so nahm man im Cuirinal 
das Anerbieten der Kurie an, jeden anderen Platz außer dem Zentrum de- 
Pantheon nach Belieben zu wählen. Infolgedessen erfolgte die Wahl der 
mittleren Kapelle, welche dem Grabe Naphaels gegenüberliegt, das sich in 
der linken Rundung des Pantheon befindet. Der große monnmentale Sar- 
lophag. zu dem die Pläne vorliegen, soll indes doch in der Mitte des Pau- 
theon aufgestellt werden. 
über die Slellung und Haltung Jtulieus zum Vatilan spricht sich 
der Präsident des italienischen Slaats rats Cadorna in einer Zuschrift an die 
„Deutsche Revue“ folgendermaßen aus: „Man scheint in Deutschland nicht 
geung die Stellung zu kennen, welche unjere politischen Parteien der gin 
frage gegenüber einnehmen. Wenn außerhalb Italiene die Kabinette Ve 
handlungen mit dem Vatikan für ange jeigt erachten können, so ist dies “ 
Italien nicht der Fall. Tenn da die einfige Frage, welche wischen diesen 
beiden schwebt, eben die Frage der weltlichen Gewalt darstellt, jo ist darauf 
auch nur eine einsige Antwort zu geben möglich: ein Ja oder ein Nein, wie 
denn auch halbe Masiregeln und Miltel hier ganz ausgeschlossen sind. Jtalien 
wird auf die Forderungen der Nurie stets mit seinem Nein! antworten; auch 
wenn es sich um Rom allein oder um einen Teil von ihm handeln würde. 
Andererseils wird der Batikan wohl dann erst von seinen Forderungen ab- 
stehen, wenn die Zeit und die Ereignisse ihn wirklich überzengt haben werden, 
daß die Frage ihre endgültige Entscheidung und diese ihre endgültige Aus- 
führung erfahren habe. Wenn einer, so stehe ich zu denen, dir das Auf- 
hören des Gegensatzer zwischen Papsttum und Italien herbeiwünschen. Aber 
ich vermag solch' Aufhören nur auf jene Weise zu erhoffen, die den Vatikan 
dahin führen wird, von seinem Streben nach Wiedererlangung der weltlichen 
Macht thatsächlich, wenn auch raicht rechtlich — das wird derselbe niemal= 
thun — abzustehen. Haben die Zeitereignisse dieses Resullat geschaffen, so 
gibt es sonst hier keinen Gegensot mehr: denn ich möchte das Land kennen, 
wo die katholische Kirche freier wäre, wie in Itatien. Italien kann für jett 
nichts anderee thun, wie warten. Es ist in der guten Lage, warten W 
können, weil es die dazu nötige Position einnimmt, weil es die Grenzen so 
abgestect hat, daß Regierung wie Kurie jede Aktionsfreiheit auf dem natür- 
lichen Felde besitzen, das der einen und der andern ausschließlich zugehört. 
Weil drin. die Meinungen durch unsere ganze Parteigruppierung einig sind. 
Und weil endlich es sich in alledem nicht um eine religiöse, noch weniger 
um eine dogmatische, sondern nur um eine polilische Frage handelt. Von 
den Katholiken Italiens glaubt, abgesehen von der lleinen dem Vatikan 
politisch unterthanen Gruppe, niemand an die Notwendigkeil eines weltlichen 
Thrones für den obersten Pontifex.“ 
Mitte Jannar. Die Umtriebe der sog. Irredenta haben zwar 
nicht ganz aufgehört, sind aber nachgerade sehr schwach geworden. 
Ihre hauptsächlichsten Organe in der Presse sind eingegangen und 
eine Subskription auf 100 Karabiner, um eine Oberdank-Kompagnie
	        
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