Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Helland. (Quni 21 — Juli 21.) 311 
sehr geringem Tonnengehalt zu gestatten. Diese Einschränlungen seien auseer- 
dem eine Verletzung des Vertrags von 1821 mit England. 
21. Juni. Der Thronfolger Alerander, Prinz von Oranien, k#. 
Der Todesfall ruft in Holland unter allen Klassen der Bevölkerung 
eine lebhafte Unruhe hervor, weil die Dynastie nunmehr keinen 
männlichen Repräsentauten mehr hat, als den regierenden König 
Wilhelm IIl. selbst. 
Der König ist im Jahre 1817 geboren. Aux seiner ersten Ehe mit 
der Prinzessin Sophie von Mürttemberg hatte er zwei Söhne: der ältere hal 
sich in Paris zu grunde gerichtet:; der jüngere war Prinz Alerander, der im 
August 1851 geboren, also fast 33 Jahre alt, nicht verheiratet war. Nach 
dem Tode der Königin Sophie hai der König eine zweite Heirat eingegangen 
mit der Prinzessin Emma von Waldeck, die 31 Jahre jünger ist als er. Aus 
dieser Ehe ist eine Tochter entsprossen, die Prinzessin Wilhelmine, die noch 
nicht 4 Jahre alt ist. Der König hat weder einen Bruder, noch einen Neffen, 
noch einen Actter, der vom Hauptie der Familie in männlicher Reihenfolge 
abstammt. Wäre ein solcher vorhauden, so würde einer derselben im Falle 
des Todes des regierenden Königs den Thron besteigen. Da dies nicht der 
Fall ist, schreibt die holländische Verfassung vor, daß die Krone auf die 
Tochter des Königs übergeht (wenn sie einen den Generalstaaten genehmen 
Mann heiratet). Thronerbin würde also die noch nicht 4 Jahre alte Prin- 
zessin Wilhelmine sein. Und wenn sie selber stürbe, ehe sie sich mit der 
Einwilligung der Stände verehelicht und Kinder geboren hätte, wer würde 
ihr nachfolgen? Der König Wilhelm hat eine Schwester. Sophie, die an 
den Großherfog von Sachsen-Weimar verheiratet und Mutter mehrerer Kinder 
ist. Lant der Verfassung ist sie und dann ihr Sohn, der Erbgroßherzog von 
Weimar, oder nach ihnen einer ihrer Enkel, oder (im Falle daß die männ- 
lichen Deszendenten sterben) eine ihrer beiden Töchter Erbe der lgl. Familie 
Oranien-Nassan. Was die Herzoge von „Nassau betrisst, so übergeht die 
Verfassung dieselben mit Stillschweigen. Die Holländer haben also die Er- 
sekung der nationalen Dynastie durch eine deutsche in Aussicht. Die. Ver- 
fassung hat jedoch (Art. 23) vorgesehen, daß „besondere Umstände eine Ande- 
rung in der Thronfolge-Ordnung notwendig machen könnten", und hat das 
Verfahren hierbei vorgegzeichnet. 
1. Juli. II. Kammer: lehnt die Einführung einer Klassen- 
steuer mit 47 gegen 35 Stimmen ab und beschließt dagegen eine 
Anleihe von 60 Mill. Gulden behufs Deckung des Defizits. 
21. Juli. Einberufung der Kammern auf den 29. d., um ihnen 
einen Gesetzentwurf betr. die eventuelle Errichtung einer Regentschaft 
nach dem Tode des Königs vorzulegen. 
21. Juli. (Luxemburg.) Der Tod des Prinzen von Oranien 
bringt auch im Großherzogtum Luxemburg die Erbfolgefrage zu 
vielfacher Besprechung. 
Die maßgebenden Verträge lanten aber so klar und bestimmt, daß 
ein Zweifel kaum auftauchen kann. Maßgebend sind die Bestimmungen des 
nassauischen Familienvertrages vom 30. Juni 1783, des 71 der Wiener 
Kongreßalte von 1815 und des Londoner Vertrages von 1839. Durch den
	        
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