Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

354 Schurden und Norwegen. (Febr. 2.) 
Stand der Einnahmen durch Zuhilfenahme von ekwa 5 ½ Mill. früherer 
Ersparnisse erzielt, allein ein solcher Uberschuß steht auch bei der künftigen 
Staatsrechnung für das nächste Finanzjahr zu erwarten, da die Einnahmen 
zum Teil sehr niedrig angesetzt sind, also wohl eine solche S Summe mehr er- 
geben werden.. Sehr erfreulich ist der Umstand, daß die Branntweinstener 
im verflossenen Jahre 780,000 Kronen weniger ergeben hat, als erwartet 
wurde. Daraus ist zu ersehen, daß die Bestrebungen der Arbeitervereine 
gegen das Branntweintrinken denn doch einige Wirkung gethan haben. 
2. Februar. (Norwegen.) Eröffnung des Storthings durch 
eine Thronrede des Königs. Dieselbe weist darauf hin, daß die 
Reichseinnahmen sich gebessert haben und das Budget ohne neue 
Steuern oder Erhöhung der bisherigen abschließe. Die schwebenden 
inneren politischen Fragen werden in der Thronrede nicht berührt. 
Der Einzug des Königspaares in Christiania hatte sich zu einer glängen- 
den und herzlichen Ovation gestaltet obgleich die Rabikalen alle - 
gegen in Bewegung gesetzt hatten. Die Hauptstadt ist eben entschieden kon= 
servativ und königlich geliunt; im ganzen Lande ist dies dagegen offenbar 
nur eine Minderheit. Der Eröffnung des Storthings ging diesmal eine 
merkwürdige Diskussion voraus. Als es konstitniert war, wurde die Depu- 
tation zur Benachrichtigung des Königs erwählt. Der Wortführer dieser 
letzteren, Abg. Noll, wünschte von dem Präsidenten bezüglich der Anredesorm 
instrniert zu werden, welche er dem Könige gegenüber zu gebrauchen habe; 
entweder die alte Form: „Gnädigster König“ oder die vom Storthing in der 
vorigen Session beschlossene: „Euer Majestät“. Präsident Sverdrup erachtete 
gegen den Widerspruch einiger Koufervativen den Gebrauch letzterer Form 
als am richtigsten. Der feierlichen Erffnung des Skorthings ging ferner 
eine geheime Sitzung voran, in welcher über das Zeremoniell und betreffend 
die gebräuchliche Erwiderung des Präsidenten auf die Thronrede beraten 
wurde. Nach längerer Debatte wurde Präsident Sverdrups Vorschlag accep- 
tiert, daß in Anbetracht der Sitnation sich die Erwiderung nur mit einem 
Glückwunsch für das königliche Haus begnügen solle. Der Schluß der Thron= 
rede lautete: „Ich bleibe Euch, gute Herren und norwegische Männer, in 
aller königlichen Huld und Gnade wohlgewogen." Darauf antwortete der 
Präsident Sverdrub: „Im Namen des Storthings spreche ich den Wunsch 
aus, womit wir nach altem Herkommen unsere Arbeit beginnen und schließen: 
Gott beschütze den König, das Vaterland und das Bruderreich!“ Sowohl 
in- als anßerhalb des Storthingsgebändes hatte sich eine große Masse von 
Menschen versammelt und die Begrüßungen, womit der König empfangen 
wurde, als er aus dem Storthings Sgebände heraustrat, waren, wie selbst die 
Linkenblätter gestehen müssen, 3 außerordentlich kräftig und begeistert. 
Auch den Ministern brachte die Bevölkerung Christianias auf dem Wege 
von und nach dem Reichstagsgebände ihre Huldigung dar. Dagegen fielen 
die Kundgebungen für Sverdrup nur kümmerlich aus. In den radikalen 
Kreisen herrscht jedoch eine fieberhafte Thätigkeit. An der gegemwärtig in 
Christiania stalktfindenden Parteiversammlung nehmen Delegierte aus allen 
Distrikten Norwegens teil. Lehrern, Offizieren und Unteroffizieren wurde 
der Urlaub zum Besuche des Konvenls verweigert. 
Der radikale und offen republikanisch gesinnte norwegische Dichter 
Bfürnstjerne Björnson präzisiert in einem offeuen Briefe den schwebenden 
Verfassungskampf dahin: „Der gegenwärtige Kampf ist seiner ganzen Ent- 
wicklung nach eigentlich ein Nationalkampf. In diesem handelt es sich aus-
	        
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