Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

6 Das deutsche Reich und seiner einzelnen Glieder. (Jan. 12—17.)
 
Fall gebrachten) Kanalvorlage. Die dagegen vorgebrachten Gründe 
hätten sie nicht zur Überzeugung zu bringen vermocht, daß diese 
Basis nicht die richtige sei. Sie werde sie indes auf einer breiteren 
Grundlage, welche auch die Provinz Schlesien in Betracht ziehe, zu 
fördern suchen. 
12. Januar. (Baden.) I. Kammer: setzt eine Kommission 
von 9 Mitgliedern nieder, um die von der Regierung angestellten 
und ihr mitgeteilten umfassenden Erhebungen über die Lage der 
Landwirtschaft in Baden zu prüfen. 
Bei den Verhandlungen erklärt der Minister, daß die Regierung ihre 
Aufgabe zur Hebung der Landwirtschaft noch nicht für beendigt erachte, daß 
es jetzt vielmehr gelte, die Ergebnisse praktisch zu verwerten. Es soll deshalb 
gegen Schluß der Session von seiten der Regierung eine Kommission von 
20 Mitlgliedern einberufen werden, und zwar aus den beteiligten Ministerien, 
den Vertretern der landwirtschaftlichen Zentralstelle und aus Interessenten- 
kreisen. Die Erhebungen erregen inzwischen allseitiges Interesse. So kommt 
z. B. gegenüber der immer von neuem erhobenen Forderung der Agrarier 
an weitere Erhöhung der Getreidezölle der Bericht der Regierung zu folgen- 
dem Ergebnisse: 1) An den Getreidezöllen haben in den Hauptgetreidebezirken 
des Landes alle Wirtschaften, welche eine Fläche von weniger als 27 Morgen 
Ackerland haben, gar kein Interesse. 2) Eine Verdoppelung der Getreide- 
zölle würde in diesen Landesteilen erst bei einer Ackerfläche eines Gutes von 
54 Morgen einen nennenswerten Einfluß haben. 3) Von 222,746 landwirt- 
schaftlichen Betrieben im Großherzogtum Baden haben nur 5300 Wirtschaften, 
also 2,4 Prozent aller landwirtschaftlichen Haushaltungen, von den Getreide- 
zöllen Gewinn. 4) Nur die Erhöhung der Getreidezölle um das Sechs- bis 
Zehnfache könnte eine finanzielle Besserung von Belang für einen erheblichen 
Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung Badens im Gefolge haben, aber 
selbstverständlich nur auf Kosten anderer Berufsstände, sowie aller Landwirte 
des Schwarzwaldes und aller jener kleinen Landwirte, die infolge der ge- 
ringen Ausdehnung ihres Betriebes Mehl und Brot kaufen müssen. 
15.—17. Januar. (Preußen.) Abg.-Haus: Erste Beratung 
der neuen Steuervorlagen der Regierung behufs Reform der direkten 
Steuern nach einer vom Hause im vorigen Jahre durch eine Reso- 
lution ausgesprochenen Forderung. Dieselben werden schließlich nach 
dem Antrage des Zentrums an eine Kommission von 28 Mitglie- 
dern gewiesen. 
Die Grundzüge der Regierungsvorlage bestehen in einer totalen Be- 
freiung der vier untersten Steuerstufen, bis zu einem Jahreseinkommen von 
1200 M, in einer etwas stärkeren Heranziehung der höheren mit einer, aller- 
dings sehr mäßigen, Progression und in der Einführung einer Kapitalrenten- 
steuer, die indes nur das mobile Kapital mit Aus- schluß, des Grund- und 
Häuserbesizes treffen soll, und endlich in der Abschaffung des sog. Verwen- 
dungegesetes von 1880. Das Resultat der ersten Beratung ist indes den 
Vorlagen nicht günstig, obgleich dieselbe ein klares Resultat überall nicht er- 
gibt. Jedenfalls erscheint das Schicksal der Vorlage vorerst vollkommen un- 
sicher und wenn zu erwarten wäre, daß jede Partei unentwegt bei ihren Er- 
klärungen bliebe, so würde man die Vorlage schon jetzt als gescheitert be-
	        
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