Rußland. (Sept. 20 — Ött. 10.) 371
von Oesterreich mit dem Kaiser von Rußland zusammenkommt und
derselbe wird denn auch mehrfach besonders ausgegeichnet. Von den
Resultaten der Drei-Kaiser-Zusammenkunft verlautet natürlich nichts
Zuverlässiges.
20. September. Abschluß eines Handelsvertrags mit Korea.
21. September. Weil eine Angahl von Studenten zur Jubi-
läumsfeier der Universität Kiew nicht zugelassen wurde, entstanden
zwischen dem Rektor und den Studenten Mißhelligkeiten, infolge deren
zur Feier nur gegen 30 Studenten erscheinen, während die übrigen
Straßenansammlungen herbeiführen und abends in der Wohnung des
Rektors die Scheiben einschlagen. Eine Bekanntmachung untersagt
Zusammenrottungen und droht eventuell solchen teilnehmenden Stu-
denten an sofort relegient zu werden. Eine weitere Publikation besagl,
daß die Universitältsvorlesungen nicht vor dem 27. September be-
ginnen und bis dahin den Studenten der Zutritt zur Universität
nicht gestattet ist. Die Wiedereröffnung der Universität muß schließ-
lich auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
24. September. Kochanow wird an die Stelle Tollebens,
zum Generalgouverneur der Provinzen Wilna, Witebsk und Minsk
ernannt. Die polnischen Elemente dieser Provinzen sind von der
Ernennung nichts weniger als entzückt, da Kochanow für entschieden
antipolnisch gesinnt gilt.
27. September. Der Kaiser trifft aus Polen wieder in Peter-
hof ein.
6.—10. Oktober. Großer politischer Progzeß vor dem Militär-
bezirksgericht Petersburg.
Von den 14 Angeklagten sind 6 ehemalige „Osfziere, 1 Edelmann,
2 Priester= und 2 Kaufmannssöhne und „ Frauen. Das Urteil lantet, außer
auf Verlust aller Rechte, Entziehung des Adels und der Chargen 2c., auf
Hinrichtung durch den Strang der sämtlichen 6 Osfsiziere und der zwei am
meisten kompromittierten Frauen, der Figner und Wolkenstein. Die übrigen
Angeklagten werden zu Zwangsarbeil von verschiedener Dauer in Sibirien.
verurteilt. Durch einen Gnadenall des Kaisers wird den ehemaligen Offigieren
Stabskapikän Pochitonow, Oberstlieutenant Aschenbrenner. Lientenant Ticha-
nowilsch und Fähnrich Juwatschew und den zwei Frauen Figner und Wolken-
stein das Leben geschenkt und die Strase in unbefristete Zwangsarbeit in den
Bergwerken Sibiriens umgewandelt. Die übrigen Angeklagten wurden teils
zu unbefristeter. teils # 15 jähriger Vergwerksarbeit verurteilt. Nur an dem
Marine-Lientenant a. D. Baron Stromberg und dem verabschiedeten Artillerie-
Lieutenant Raatschew wird das ausgesprochene Todesurteil durch Hinrich-
tung mittelst Strangs vollgogen. — Ans den Verhandlungen geht hervor,
daß die Adelige Wera Figner als Agentin des Exekulivkomitees an gahl-
reichen Attentaten direkt oder indirekt beteiligt war, und daß ihr als Helfers-
helferinnen die anderen verurteilten Frauen beistanden. Die Figner war
24