Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 16.) 9
Mitte Januar. (Baden.) II. Kammer: Debatten über das
Budget und die allgemeine Finanzlage des Landes.
Die Redner der Opposition suchen darzuthun, daß die lehtere keine
günstige sei. Der Finanzminister entkräftet jedoch die Einwendungen und
beharrt dabei, daß das Budget eines der günstigsten von allen sei, die er
bisher vorgelegt habe, da trotz der hohen Anforderungen die Einnahmen zur
Deckung der Ausgaben hinreichten. Im weiteren Verlauf treten fast alle
Redner mit einziger Ausnahme des demokratischen Wortführers für den Schutz-
zoll, namentlich für mäßige Kornzollerhöhung. ein, worin die Ultramontanen
einen Sieg ihrer Anschauungen erblicken, während die liberalen Sprecher
ausdrücklich erklären, daß sie weder absolute Freihändler noch absolute Schutz-
zöllner seien.
16.—18. Januar. (Deutsches Reich.) Der sog. Admira-
litätsrat tritt unter dem Vorsitze des Chefs der Admiralität, Ge-
neral v. Caprivi, in Berlin zusammen, um über eine dem Reichs-
tag vorzulegende Denkschrift bez. der Marine nach Ausführung des
Flottengründungsplanes und über die Vorlage bez. eines Nachtrags
zum Marineetat zu beraten.
Der Admiralitätsrat besteht außer seinem Chef aus dem Kontreadmirale
Graf v. Monts, Chef der Station der Nordsee, v. Wickede, Chef der Station
der Ostsee, v. Blanc, zweiter Admtral bei der Station der Ostsee, und Knorr,
Chef des Stabes der Admiralität. Es handelt sich besonders um die wichtige
Prinzipienfrage, ob in Zukunft für die deutsche Kriegsflotte noch gepanzerte
Fregatten und Korvetten gebaut und auch die älteren und abgängig gewor-
denen derartigen Fahrzenge, wie „Friedrich Karl“ und Kronprinz“, durch
neue Panzerfregatten ersetzt werden sollen, oder ob man von dem Bau von
Panzerschiffen in Zukunft gänzlich abgehen und statt derselben lediglich Tor-
pedos erbauen und ausrüsten soll. Daß die Torpedos eine immer größere
Bedeutung gewinnen und bei allen Seekriegen der Zukunft von der ein-
greifendsten Wichtigkeit sein werden, darüber sind alle urteilsberechtigten See-
leute sowohl der deutschen als jeder anderen Kriegsflotte vollständig einig. Im
übrigen sollen aber die Ansichten der Admirale etwas auseinandergehen. Einige
derselben glauben, daß, solange in jeder anderen großen europäischen Kriegs-
flotte die Zahl der bisherigen schweren Panzerschiffe nicht allein beibehalten,
sondern sogar noch alljährlich vermehrt wird, auch die ohnehin kleine deutsche
Flotte hiervon nicht ganz abweichen dürfe und für die nächste Zeit wenig-
stens die bisherigen 7 großen schweren Panzerfregatten und 5 Panzerkorvetten
nicht verringern, sondern ungeschwächt beibehalten, und die alten unbrauch-
baren derartigen Fahrzeuge durch neue von verbesserter Konstruktion er-
setzen müsse.
16. Januar. (Bayern.) II. Kammer: Die ultramontane
Mehrheit derselben beschließt auf den Antrag des Abg. Gabler gegen
die liberale Minderheit, bez. der Sonntagsheiligung an die Krone
die Bitte zu richten:
„Es möchte die für Sonntage und einige Feiertage eingeführte Be-
schränkung der Dienststunden nicht nur für alle den christlichen Konfessionen
gemeinschastlichen Festtage, sondern auch für die besonderen Feiertage eines
Religionsteiles an Orten, wo derselbe vorwiegend ist, ausgedehnt und der
Bedienstete je nach seiner Konfession mit Dienstfreiheit berücksichtigt werden;