Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 20.) 11
Solche Verbesserungen seien auf allen Gebieten der Verwaltung bereits mit
dem besten Erfolge eingeführt. Die Regierung werde damit fortfahren und
hoffe, in noch weiterem Umfange den Ubelständen, die wirklich vorhanden sind,
abzuhelfen. Wenn angenommen werde, daß die Regierung sich irgendwie
durch Anträge und sonstige Agitationen drängen lassen werde, so möge man
überzeugt sein, daß dies nicht gelingen werde. Man würde vielmehr da-
durch die Regierung in ihrem Vorgehen eher retardieren. Die Regierung
müsse suchen, die Last zu tragen, welche ihr durch die Aufgabe erwachse, die
Grenzen der Machtbefugnisse des Staates der Kirche gegenüber innezuhalten.
Das jetzige Ministerium werde nicht das letzte sein, welches unter dieser Last
stehe; immerhin sei es aber seine Pflicht, die Last derjenigen zu erleichtern,
die nach ihm berufen sein werden, dieselbe zu trage
Das Zentrum ist über die Art, wie sein Vorstoß von allen Seiten
abgeschlagen wurde, und namentlich über den Kultusminister wütend, und
auch in Nom ist man über den letzteren sehr ungehalten und macht daraus
in der vatikanischen Presse auch kein Hehl. Die „Germania“ droht ganz
offen, daß das Zentrum nun auch bei den Wahlen mit der Fortschrittspartei
sich verbinden und in allen Fragen der Wirkschaftspolitik Opposition machen
werde. Angeblich „um Klarheit in die Lage zu bringen“, bringt das Zentrum
bereits einen neuen Antrag, auf Aufhebung des Sperrgesetzes, ein, kündigt
sofort noch weitere für Freiheit des Messelesens und der Sakramentspendung
und für eine allgemeine Revision der Maigesetze an. Wenn die Konserva-
tiven dasselbe auch hierin nicht unterstüßen sollten, so wird ihnen die Freund-
schaft aufgekündigt und soll ihnen gezeigt werden, daß sie lediglich von der
Gnade des Zentrums abhängen. Die gereizte Polemik mit der konservativen
Presse macht nachgerade nur mehr wenig Hehl daraus, daß den Ultramon-
tanen in letzter Linie alle staatlichen Interessen und Fragen ganz gleichgü
und lediglich Mittel zu anderen, rein kirchlichen, Zwecken sind und daß
die parlamentarische Macht, die ihnen eingeräumt ist, nur als Vehikel zur
Wiederherstellung und Festigung eines auswärtigen „Sonveräns“, des Papstes,
auszunützen bemüht sind. Diese Einsicht dringt allmählich doch auch bei den
Konservativen durch und bringt auch ihrerseits „Klarheit in die Lage“.
20. Januar. (Deutsches Reich.) Die „Köln. Ztg.“ bringt
neuerdings von Berlin aus die Natur der Allianz zwischen Deutsch-
land und Oesterreich-Ungarn und die der Tripelallianz mit Italien
zur Sprache. Ob ihre Enthüllungen begründet sind, bleibt indes
nach wie vor völlig unsicher.
Die Köln. Ztg. bestreitet, daß Italien, wie die französische Presse zu-
versichtlich wissen will, sich nur dazu verpflichtet habe, Oesterreich nicht an-
zugreifen und behauptet vielmehr, daß Italien dem Friedensbündnisse zwischen
Deutschland und Oesterreich unter denselben Bedingungen wie die beiden
andern Mächte beigetreten sei. Man habe bisher angenommen, daß die
vertragsmäßige Bundeshilfe durch den deutsch- österreichischen Vertrag von 1879
erst für den Fall festgesetzt sei, daß Deutschland oder Oesterreich von zwei
Seiten angegriffen werde. Es sei ihr indes die verbürgte Mitteilung ge-
worden, daß das Bündnis doch etwas enger geschlossen sei und der casus
foederis schon dann eintrete, wenn eine der Mächte angegriffen werde und
die Gefahr nahe und drohend sei, daß eine zweite Macht sich mit der an-
greifenden verbinde. Setze man also den Fall, daß die Franzosen Deutsch-
land angriffen, um Elsaß-Lothringen zurückzuerobern. Wenn Rußland sich
dabei ganz ruhig verhalte, keine Rüstungen mache und seine Neutralität er-
kläre, so würde Oesterreich nicht verpflichtet sein, Deutschland in einem solchen