Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

Die deulsche Kolonialpolilik nach den olsf#iellen Weitztüchern. 417 
frage näher an sich herantreten und traf er die Vorbereitungen, um 
sie dann im nächsten Jahre in der ihm eigenen umfassenden und 
energischen und doch überaus maßvollen Weise ins Werk zu setzen. 
In diesem Jahre wurden große Gebiete in Afrika und in der Südsee 
unter deutsche Schutzherrschaft gestellt und das Widerstreben Eng- 
lands gegen diesen Eingriff nicht in seine Rechte, wohl aber seine 
maßlosen Ansprüche siegreich überwunden. Ja Deutschland hatte 
noch in diesem selben Jahre die Genugthnung, daß die VBerhält- 
nisse am Kongo in bahnbrechender Weise von einer europäischen 
Konferenz nicht in London, sondern in Berlin und unter dem 
Vorsitze seines Reichskanzlers geordnet wurden. 
Es war dies ein gewaltiger Erfolg für Deutschland, gegen 
den die Nergeleien der Ultramontanen, aus Haß gegen den Reichs- 
kangler, der ihnen im Wege steht, und der Radikalen, aus Be- 
fangenheit in absolute Freihandelstheorien, die sie auf die Spitze 
treiben, doch nur wenig ins Gewicht zu fallen und auch nur wenig 
auszurichten vermochten. Aber zwei Dinge dürfen allerdings nicht 
außer Acht gelassen werden. Einmal nämlich ist alles, was im 
Jahre 1884 für eine deutsche Kolonialpolitik geschehen, wohl ein 
viel versprechender Anfang, aber doch nur ein Anfang. Fürst 
Bismarck hat gethan, was er unter den obwaltenden Umfständen 
thun konnte. Der Schuß der zahlreichen deutschen Handelsfakto- 
reien an der westafrikanischen Küste ist eine gewisse Pflicht des 
Reichs, das seiner Macht bewußt ist, und für den deutschen Export 
können dieselben mit der Zeit auch sehr belangreich und wertvoll 
werden. Außerdem aber scheint in den neu erworbenen Gebieten 
nur Plantagewirtschaft möglich zu sein, was allerdings von min- 
derem Belange ist. Für Ackerbaukolonien haben wir allem An- 
schein nach noch keine geeigneten Landstriche erworben. Allein es 
mußte doch einmal ein Anfang gemacht werden, der ja überhaupt 
erst die Möglichkeit weiterer Erwerbungen schaffen und jedenfalls 
in keiner Weise ausschließen konnte. Weiter aber ist auch zu 
beachten, daß es, obgleich der Reichskanzler in der bescheidensten 
Weise vorging und nach den Verhältnissen auch vorgehen mußte, 
im weiteren Verlaufe der erst inangurierten Kolonialpolitik ohne 
erhebliche Kosten und Opfer unmöglich abgehen kann, obgleich die- 
selben neben dem, was Frankreich für sein Tongking nur in einem 
einzigen Jahre geopfert hat, wahrhaftig gar nicht in Betracht 
kommen. Deutschland wird die Kosten, die ihm successive werden 
zugemutet werden müssen, wohl auch zu tragen im stande sein. 
Vorerst sind sie noch klein und unbedentend. 
Der Reichskanzler hat über seine Kolonialpolitik im Jahre 
1884 fünf Weißbücher veröffentlicht. Sie find dadurch für uns 
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXV. Bd#. 27
	        
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