Die deulsche Kolonialpolilik nach den offiziellen Weißbüchern. 419
schen Besitzungen. Lübeck erstatlete eine Fehlanzeige, da ihm
irgendwelche direlte Handelsbeziehung zu Westafrika jehle. Auch
Bremen hatte. obwohl in mehrern Firmen an der westafrikanischen
Küste arbeitend, keine besondern Wünsche. Aufs eingehendste spricht
dagegen Hamburg sich aus, und der zu Grunde liegende Bericht
der Hamburger Handelskammer vom 6. Juni 1883 kennzeichnet
sich nach Form wie Inhalt als eine vorgügliche Denkschrift. Sie
regt in klarer, sachlicher Begründung ein politisches Vorgehen der
deutschen Reichsregierung als dringend erwünscht an und empfiehlt
die spanische Insel Fernando Po als Flottenstation zu erwerben,
sowie einen Küstenstrich am gegenüberliegenden Festlande zur
Gründung einer deutschen Handelskolonie. Es scheint uns, daß
wesentlich diese Vorlage dem Reichskanzler den Anstoß gegeben,
kolonialpolitisch vorzugehen. Es folgten rasch Verhandlungen mit
Spanien, welche bei der so warm gefeierten Anwesenheit des deut-
schen Kronprinzen in Madrid zum Abschluß gekommen zu sein
scheinen. Anfang 188“ brachten offiziöse Blätter die Mitteilung,
daß eine Vereinbarung mit Spanien über die Errichtung eines
Marine= und Kohlendepots auf Fernando Po getroffen worden
sei. Seitdem ist die Sache mit Stillschweigen bedeckt und auch
das Weißbuch enthält keinerlei Mitteilungen in der bezeichneten
Richtung, sei es, daß Schwierigkeiten sich erhoben haben, sei es,
daß weitergehende Verhandlungen noch geführt werden. An den
Schriftenwechsel mit Hamburg schließt sich dann unter dem 19.
Mai 1884 ein Erlaß an den Generalkonsul Dr. Nachtigal an.
Er enthält den Auftrag, in gewissen Küstenstrichen Westafrikas
zum Schutze des deutschen Handels Freundschafts-, Handels= und
Schutz-Verträge abzuschließen. Der Generalkonsul erhält ausge-
dehnte Vollmachten zur Ausführung dieser Aufgabe. Bezeichnend
ist, daß ihm entsprechend der Gestaltung der europäischen Politik
die äußerste Schonung und das größte Entgegenkommen gegenüber
französischen Interessen an der westafrikanischen Küste zur Pflicht
gemacht wird. Inzwischen sind die, einige Zeit vor Abgang Dr.
Nachtigals verständigten Firmen Hamburgs, an ihrer Spitze das
Haus C. Woermann, eifrig beschäftigt, durch ihre Agenten Ver-
träge über Landerwerb und deutschen Schutz mit den Häuptlingen
der Küste abguschließen. Diese Bemühungen haben Erfolg und
Dr. Nachtigal findet bei seiner Ankunft die Wege zur Ausführung
seines Anftrags geebnet. Bevor derselbe am Kamerungebirge an-
langt, ereignet sich ein Zwischenfall. An der Goldküste findet der
Generalkonsul die Vertreter deutscher Firmen in großer Aufregung.
Ein englischer Beamter, wie es scheint deutscher Abkunft, ist eben
in der Vorbereitung, das noch unabhängige Gebiet der Goldküste
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