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sehen; aber darüber kann man nicht im Zweifel sein, daß das
kolonialpolitische Programm, wie es in der Instruktion des Reichs-
kanglers an den Generalkonsul Dr. Nachtigal skizziert ist, nur für
eine Ubergangszeit ausreichen wird.
Seither ist vielfach gestritten worden, ob es sich bei der
Besitzergreifung in jenen Gegenden um eine förmliche Einverleibung
(Annexion) oder um eine Unterschutzstellung (Protektorat) seitens
des Reiches handle. Die „Mgdb. Ztg.“ zieht aus den mitgeteilten
diplomatischen Aktenstücken den Schluß, daß im Grunde, staats-
rechtlich betrachtet, weder das eine noch das andere eingetreten
ist, sondern daß man eine mittlere, den Verhältnissen, wie sie sich
daselbst entwickelt haben, angemessene Form der Besitzergreifung
angewandt hat. Die Landeshoheit wird im Namen des Kaisers
ausgeübt durch einen kaiserlichen Gouverneur mit dem Sitze in
Kamerun, dem ein Kollegium aus Vertretern der daselbst bestehen-
den Firmen (darunter auch englische; ferner ein Missionär und
zwei eingeborne Häuptlinge) zur Seite gestellt werden soll. Die
Mitglieder würde der Gouverneur zu ernennen und zu entlassen
haben. Außerdem soll bekanntlich für den Verkehr mit der Reichs-
regierung ein Syndikat in Hamburg gebildet werden, welches in
Berlin wahrscheinlich eine ständige Vertretung haben wird, und
das Wünsche und Anträge der betreffenden Firmen in allen zur
Entscheidung durch das Reich stehenden Fragen der Regierung
vorträgt, und zwar dem Auswärtigen Amte des Deutschen Reichs,
da von dieser Behörde aus die deutschen Beamten in Westafrika
ihre Anweisungen empfangen. Soweit also das Reich die Kolonien
regiert, wird diese Regierung ausgeübt durch das Auswärtige Amt,
welches, soweit Kosten in Anspruch genommen werden, dafür dem
Bundesrat und Reichstag verantwortlich ist — selbstverständlich
durch die Person des Reichskanzlers. Die Verwaltung der Kolonie
führen die dort ansässigen Kaufleute, ebenso wie sie die Handels-
angelegenheiten unter sich haben. Es mag noch darauf hingewiesen
werden, daß der Kanzler in dem Entwurf einer Note an die Groß-
mächte und die in Afrika interessierten Staaten (sämtliche Kon-
ferenzmächte, mit Ausnahme der Türkei) die geschehene Besitz-
ergreifung mit dem Ausdruck bezeichnet, daß „die Regierung Seiner
Majestät des Kaisers zur wirksameren Wahrung des deutschen
Handels an der Westküste Afrikas einige Gebiete dieser Küste unter
ihren Schutz genommen“ habe. Hier werden ferner zum erstenmal
authentisch die sämtlichen Gebiete (auch Angra-Pequenna 2c., wo-
rüber der zuerst ausgegebene Teil der Aktenstücke sich sonst noch
gar nicht äußert) aufgezählt, über welche das Deutsche Reich die
Hoheit erworben hat. Es sind das an der eklavenküste das