Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

422 Anhang. 
sehen; aber darüber kann man nicht im Zweifel sein, daß das 
kolonialpolitische Programm, wie es in der Instruktion des Reichs- 
kanglers an den Generalkonsul Dr. Nachtigal skizziert ist, nur für 
eine Ubergangszeit ausreichen wird. 
Seither ist vielfach gestritten worden, ob es sich bei der 
Besitzergreifung in jenen Gegenden um eine förmliche Einverleibung 
(Annexion) oder um eine Unterschutzstellung (Protektorat) seitens 
des Reiches handle. Die „Mgdb. Ztg.“ zieht aus den mitgeteilten 
diplomatischen Aktenstücken den Schluß, daß im Grunde, staats- 
rechtlich betrachtet, weder das eine noch das andere eingetreten 
ist, sondern daß man eine mittlere, den Verhältnissen, wie sie sich 
daselbst entwickelt haben, angemessene Form der Besitzergreifung 
angewandt hat. Die Landeshoheit wird im Namen des Kaisers 
ausgeübt durch einen kaiserlichen Gouverneur mit dem Sitze in 
Kamerun, dem ein Kollegium aus Vertretern der daselbst bestehen- 
den Firmen (darunter auch englische; ferner ein Missionär und 
zwei eingeborne Häuptlinge) zur Seite gestellt werden soll. Die 
Mitglieder würde der Gouverneur zu ernennen und zu entlassen 
haben. Außerdem soll bekanntlich für den Verkehr mit der Reichs- 
regierung ein Syndikat in Hamburg gebildet werden, welches in 
Berlin wahrscheinlich eine ständige Vertretung haben wird, und 
das Wünsche und Anträge der betreffenden Firmen in allen zur 
Entscheidung durch das Reich stehenden Fragen der Regierung 
vorträgt, und zwar dem Auswärtigen Amte des Deutschen Reichs, 
da von dieser Behörde aus die deutschen Beamten in Westafrika 
ihre Anweisungen empfangen. Soweit also das Reich die Kolonien 
regiert, wird diese Regierung ausgeübt durch das Auswärtige Amt, 
welches, soweit Kosten in Anspruch genommen werden, dafür dem 
Bundesrat und Reichstag verantwortlich ist — selbstverständlich 
durch die Person des Reichskanzlers. Die Verwaltung der Kolonie 
führen die dort ansässigen Kaufleute, ebenso wie sie die Handels- 
angelegenheiten unter sich haben. Es mag noch darauf hingewiesen 
werden, daß der Kanzler in dem Entwurf einer Note an die Groß- 
mächte und die in Afrika interessierten Staaten (sämtliche Kon- 
ferenzmächte, mit Ausnahme der Türkei) die geschehene Besitz- 
ergreifung mit dem Ausdruck bezeichnet, daß „die Regierung Seiner 
Majestät des Kaisers zur wirksameren Wahrung des deutschen 
Handels an der Westküste Afrikas einige Gebiete dieser Küste unter 
ihren Schutz genommen“ habe. Hier werden ferner zum erstenmal 
authentisch die sämtlichen Gebiete (auch Angra-Pequenna 2c., wo- 
rüber der zuerst ausgegebene Teil der Aktenstücke sich sonst noch 
gar nicht äußert) aufgezählt, über welche das Deutsche Reich die 
Hoheit erworben hat. Es sind das an der eklavenküste das
	        
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