Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 30. — Febr. 2) 17
Die Stellung, welche die Staatsregierung auf Grund eingehenden Studiums
der Verfassung seit vielen Jahren einnahm, sei auch heute noch dieselbe, sie
gehe dahin, daß ein Eingreifen gegen Bischof Reinkens nicht mehr statthaben
kann. Der Minister verbreitet sich dann über die Simultanschulfrage und
rechtfertigt die neue Verordnung nach allen Richtungen gegenüber den Klagen
er Linken.
30. Jannar — 6. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: Der
Kultusetat gibt dem ultramontanen Zentrum Anlaß zu Erneuerung
aller seiner Beschwerden und aller seiner Forderungen an die Re-
gierung, was zu endlosen Debatten führt, ohne im Grunde irgend
etwas Neues zutage zu fördern. Die Hauptforderungen der Ultra-
montanen sind und bleiben übrigens die Rückberufung der Erzbischöfe
von Köln und Posen, die Revision d. h. eigentlich Beseitigung der
sog. Maigesetze und die Überantwortung der Erziehung der Geist-
lichen ausschließlich an die Kirche. Die Regierung ist jedoch dazu
offenbar noch lange nicht bereit, wenn sie auch geneigt ist, den Katho-
liken in allen billigen Verlangen möglichst entgegenzukommen.
30. Januar. (Bayern.) II. Kammer: Finanzausschuß: be-
schließt mit 8 gegen 7 Stimmen, die wichtigste Vorlage der Regie-
rung betr. die durchaus notwendige und zudem nur sehr mäßige
Gehaltsaufbesserung der Beamten seinerseits abzulehnen.
31. Januar. (Preußen.) Der Staatsanzeiger veröffentlicht
eine vom 3. Februar an zunächst innerhalb des Bezirks der Ober-
postdirektion von Berlin in Kraft tretende Festsetzung der Amts-
stunden an den Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, welch’ letz-
tern des Kaisers Geburtstag gleichsteht. Danach wird der Dienst
von 9 bis 5 Uhr gänzlich ruhen.
31. Januar. (Bayern.) I. Kammer: genehmigt die von
der Regierung beantragte und von der II. Kammer genehmigte Er-
richtung einer staatlichen Hagelversicherung, lehnt dagegen die von
der II. Kammer gleichfalls beschlossene staatliche Mobiliarversicherung
ihrerseits ab.
2.—5. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: Steuerkommission:
ist endlich am entscheidenden Punkt der Regierungsvorlage angelangt
und lehnt ihrerseits die Aufhebung der 3. und 4. Steuerstufe (bis
1200 M. jährliches Einkommen) mit großer Mehrheit ab.
Nur ein Teil der Rechten will allenfalls bis 1000 M. gehen; alle
anderen Parteien wollen bei dem bisherigen Satze von 900 M. stehen bleiben
und es herrscht kein Zweifel, daß das Abg-- Haus in diesem Punkte mit
seiner Kommission übereinstimmen werde. Der Finanzminister Scholz hatte
dagegen erklärt, die Aufhebung der dritten und vierten Stufe sei der ent-
scheidende Punkt der ganzen Vorlage; hier werde die Regierung unter
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXV. Bd.