Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

18 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 4—7.) 
keinen Umständen nachgeben. Ja. noch mehr, der Minister forderte 
auf, Anträge auf Befreiung auch der 5. und 6. Stufe zu stellen. „Wenn 
Sie höher gehen, m. H., die Regierung wird mit Ihnen gehen.“ Bezeich- 
nend ist es, daß die Wahlfrage, nämlich die Frage über die Mittel und 
Wege, um eine Beeinträchtigung des Wahlrechts der unteren Klassen durch 
die Steuerbefreiungen zu verhindern, in der Kommissionssitzung kaum ge- 
streift worden ist. Man hielt es wohl für überflüssig, sich mit dieser Frage 
abzuquälen, da das Gesetz, wie die Dinge sich jetzt gestaltet haben, gänzlich 
aussichtslos ist. 
4. Februar. (Baden.) I. Kammer: genehmigt auch ihrer- 
seits das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege. 
Die Vorlage beruht auf den Grundlagen des Gesetzes vom Oktober 
1863, durch welches von allen deutschen Staaten zuerst Baden eine Neu- 
schöpfung hervorgebracht hat, in welcher zwei Gedanken des modernen Rechts- 
staats, die Selbstverwaltung und die Verwaltungsgerichtsbarkeit, verwirklicht 
und in organische Verbindung gesetzt wurden. Nachdem das Gesetz vom 
24. Februar 1880 die bis dahin mangelnde Unabhängigkeit des Verwaltungs- 
gerichtshofs vollkommen hergestellt hatte, macht es sich der nunmehr beratene 
Entwurf zur Aufgabe, der allzugroßen Beschränkung der Kompetenz des Ge- 
richtshofes abzuhelfen. 
5. Februar. (Hessen.) II. Kammer: Der Minister v. Starck 
beantworket eine ultramontane Interpellation über die kirchen- 
politische Lage des Landes dahin: 
Der Hinweis auf Baden biete keine Analogie; dort wurde die An- 
zeigepflicht stets erfüllt und trat die Eramenpflicht in den Vordergrund. Die 
Regierung legte dem preußischen Gesetze vom 30. Juli 1883 die größte Be- 
deutung bei und wäre eine Gesetzvorlage zu machen in der Lage, wenn das 
preußische Gesetz die Folge gehabt hätte, daß die katholische Geistlichkeit die 
Anzeigepflicht erfüllte. Wegen der Wiederbesetzung des Mainzer Bischofs- 
stuhles könne die Regierung die Initiative nicht ergreifen, da die römische 
Kurie das Domkapitel angewiesen habe, keine neue Kandidatenliste vorzu- 
legen. Der neue Kandidat müsse Sicherheit dafür geben, daß die Anzeige- 
pflicht, soweit es verlangt sei, erfüllt werde. Die Verhandlungen mit den 
pästichen Diplomaten im Jahre 1882 seien resultatlos gewesen; im Jahre 
1883 habe Rom wegen neuer Unterhandlungen angefragt, worauf der Staat 
seine jederzeitige Bereitwilligkeit dazu erklärt habe. 
Die Kammer lehnt den Beitritt zum Beschlusse der ersten, 
wonach die Errichtung von Fortbildungsschulen in den Willen der 
Gemeinden gestellt werden sollte, ihrerseits ab. 
6. Februar. (Bayern.) II. Kammer: Finanzausschuß: be- 
schließt in seiner ultramontanen Mehrheit, in der Kammer den An- 
trag zu stellen, es möge in den Gymnasien der Geschichtsunterricht 
womöglich nach Konfessionen getrennt erteilt werden. Minister v. Lutz 
spricht sich jedoch unzweideutig und energisch dagegen aus: kon- 
fessionelle Streitfragen gehörten entschieden nicht vor die Jugend. 
7. Februar. (Bayern.) II. Kammer: Kultus- und Unter- 
richtsetat: Die ultramontane Mehrheit streicht an dem Postulat der
	        
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