20 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 9.)
aufs Neue einzubringen. Der Staatsminister, der in seiner Erwiderung
zunächst davor warnt, fortwährend an den Grundlagen der Staatsverfassung
zu rütteln, wollte von der zweiten Kammer nicht glauben, daß sie den An-
trag genehmigen würde, und wenn auch, so würden doch die beiden anderen
Gesetzgebungsfaktoren nie ihre Zustimmung erteilen.
9. Februar. (Deutsches Reich.) Eine von einem Hrn. Ochiltree
dem Repräsentantenhause der Vereinigten Staaten am 9. Januar
l. J. vorgeschlagene und beschlossene Resolution zu Ehren des verstor-
benen Abg. Lasker wird von dem nordamerikanischen Gesandten in
Berlin, Hrn. Sargent, dem auswärtigen Amte zu offizieller Mit-
teilung an den Reichstag übermittelt, vom Reichskanzler jedoch nicht
angenommen, sondern mit Erlaß von diesem Tage durch den deutschen
Gesandten in Washington der dortigen Regierung zurückgestellt.
Die Resolution des nordamerikanischen Repräsentanten-
hauses lautete: „Das Haus erklärt, daß es mit tiefem Bedauern von dem
Tode des hervorragenden deutschen Staatsmannes Eduard Lasker gehört hat,
und daß dieser Verlust nicht allein von dem Volke seines Vaterlandes, wo
seine feste und beharrliche Darlegung freier und liberaler Ideen und sein
hingebender Eifer für dieselben die soziale, politische und wirtschaftliche Lage
des Volkes wesentlich gefördert hat, sondern auch von den Freunden der Frei-
heit in der ganzen Welt zu betrauern ist; ferner daß eine Abschrift dieser
Erklärungen sowohl der Familie des Verblichenen zugestellt werde als dem
in der Hauptstadt des deutschen Reiches residierenden Gesandten der Ver-
einigten Staaten, damit dieser sie auf dem vorgeschriebenen Wege dem Vor-
sitzenden der gesehgebenden Körperschaft, deren Mitglied Herr Lasker war,
übermitttle.“ Die Ablehnung dieser Zumutung wird vom Reichskanzler
in seinem Erlasse vom 9. Februar folgendermaßen begründet: „Jede Aner-
kennung, welche die persönlichen Eigenschaften eines Deutschen im Ausland
finden, kann für unser Nationalgefühl nur erfreulich sein, insbesondere wenn
sie von einer so hervorragende Körperschaft ausgeht wie das amerikanische
Reprasentantenhaus. Ich würde deshalb die Mitteilung des Herrn Sargent
dankbar entgegengenommen und Se. Majestät den Kaiser um Ermächtigung
zur Vorlage derselben an den Reichstag gebeten haben, wenn nicht die Re-
solution vom 9. v. M. zugleich ein Urteil über die Richtung und die Wir-
kungen der politischen Thätigkeit des Abg. Lasker enthielte, welches mit
meiner Überzeugung im Widerspruch sleht. Es heißt in der Resolution mit
Bezug auf den Verstorbenen, daß his firm and constant exposition of free
and liberal ideas have materially advanced the social. political and eco-
nomic condition of those people". Nach meiner Kenntnis des Herganges
der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des deutschen Volkes kann ich
dieses Urteil nicht als ein solches ansehen, welches den von mir erlebten
Thatsachen entspricht. Ich würde nicht wagen, mein eigenes Urteil dem einer
so erlauchten Körperschaft wie das Repräsentantenhaus der Vereinigken Staaten
gegenüberzustellen, wenn ich nicht bezüglich der innern Politik Deutschlands
durch eine mehr als 30jährige aktive Beteiligung an derselben eine Erfah-
rung gewonnen hätte, die mich ermutigt, auch meinem Urteil innerhalb dieses
Gebiets eine gewisse Kompetenz beizulegen. Ich kann mich nicht entschliehen,
bei Sr. Maj. dem Kaiser die nötige Ermächtigung zur Mitteilung der Re-
solution des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten an den deutschen
Reichstag zu beantragen, weil ich dazu ein Urteil amtlich mir aneignen und