Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 5.) 27
aufzufordern, Bemühungen für den Erlaß eines Reichsgesetzes wegen
einheitlicher Regulierung der verschiedenen Landeslotterien eintreten
zu lassen. Das jetzige Lotterieunwesen, wobei einige deutsche Staaten
die Spielneigung des ganzen deutschen Volkes ausnutzen, wird all-
seitig als unhaltbar anerkannt. Einer völligen Unterdrückung der
Lotterien ist die Regierung indes offenbar nicht geneigt und scheint
auch die Mehrheit des Hauses für unmöglich zu halten.
5. März. (Deutsches Reich.) Bundesrat: genehmigt die
Gesetzentwürfe betr. Verlängerung des Sozialistengesetzes vom 21.
Oktober 1878, die Bewilligung von Mitteln zu Zwecken der Marine-
verwaltung und Abänderung des Gesetzes über eingeschriebene Hilfs-
kassen vom 7. April 1876.
5. März. (Deutsches Reich.) Am Vorabend der Eröffnung
des Reichstags fusionieren sich die Fortschrittspartei und die sog.
Sezessionisten zu Einer Fraktion, wobei sie hoffen, auch die National-
liberalen entweder mit sich verschmelzen oder an die Wand drücken
zu können und so zu der „großen liberalen Partei“ zu gelangen,
die im stande wäre, die innere Politik des Reichskanzlers lahm zu
legen. Zunächst hat es den Anschein, als ob die Leitung der neuen
Partei v. Stauffenberg und den Sezessionisten überlassen werden
solle; es zeigt sich aber bald, daß Eugen Richter und die Fort-
schrittspartei nicht gemeint sind, dieselbe aus der Hand zu geben.
Die neue Partei nimmt inzwischen den Namen „Deutsch-Freisinnige“
an und glaubt auf den Beitritt von 110 Mitgliedern zählen zu
können, somit die stärkste Partei im Reichstage zu sein.
Beide Fraktionen zeigen den Schritt ihren Gesinnungsgenossen durch
folgende Mitteilung an: „Die parlamentarischen Fraktionen der deutschen
Fortschrittspartei und der liberalen Vereinigung unterbreiten der Beschluß-
fassung der zuständigen Parteiorgane und der Billigung ihrer Gesinnungs-
genossen im Lande den Vorschlag, den sie vereinbart haben: beide Fraktionen
zu einer Partei zu verbinden. Diese Vereinigung der deutschen Fortschritts-
partei und der liberalen Vereinigung führt den Namen „Deutsche freisinnige
Partei“. Wir folgen hiermit einem Rufe, der von Tag zu Tag dringender
ans allen Teilen Deutschlands an uns ergangen ist. Wir geben der eigenen
Überzeugung Ausdruck, daß die Verteidigung der liberalen Sache in der
Gegenwart und die Wahrung ihrer Zukunft nur bewirkt werden kann, wenn
wir die uns zu Gebote stehenden Kräfte einheitlich zusammenfassen. Wir
haben uns vergegenwärtigt, daß beide Parteien in den wesentlichen Grund-
sätzen, welche die politische Arbeit der nächsten Zeit beherrschen müssen, sich
in übereinstimmung befinden. Wir haben diese Übereinstimmung in den
Einigungspunkten festgestellt. Mit denselben glauben wir einen Nahmen ge-
schaffen, zu haben, der, ohne von irgend einem Teile ein Opfer grundsätz-
licher Überzeugungen zu fordern, fest genug ist, um lähmende innere Mei-
nungsverschiedenheiten auszuschließen, der aber gleichzeitig allen wahrhaft