Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

48 Du deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 5—8.) 
über die Mittel dazu können wir sehr verschiedener Meinung sein. Bewahren 
wir uns aber das Bewußtsein, daß wir diesem gemeinschaftlichen Ziele mit 
gleicher Treue und gleicher Hingebung hüben wie drüben zustreben, und 
machen wir uns aus Meinungsverschiedenheiten über die zu ergreifenden Mittel 
und Wege keine persönlichen Vorwürfe; verfallen wir nicht in den Fehler, 
bei jedem Andersmeinenden entweder an seinem Verständnis oder an seinem 
guten Willen zu zweifeln!“ Seither hat sich diese milde Stimmung des 
Reichskanzlers allerdings, und nicht ohne Grund, stark verändert. 
5. April. (Bayern.) I. Kammer: beschließt einstimmig, dem 
Veschluß der Mehrheit der II. Kammer bez. der Beamtengehalts- 
aufbesserungsfrage nicht beizustimmen, sondern, mit einiger Ermäßi- 
gung gegenüber dem Antrage der Regierung, dafür 1,171,780 M. 
zu bewilligen und in das Budget einzustellen; eine Steuererhöhung 
sei dadurch nicht zu befürchten, da dieses ja einen Uberschuß von 
1,600,000 M. aufweise. 
7. April. (Bayern.) II. Kammer: lehnt ihrerseits die Zu- 
stimmung zu dem Beschlusse der I. Kammer bez. Beamtengehalts- 
aufbesserung ab, womit der Antrag der Regierung definitiv fällt. 
7. April. (Bremen.) Der Senat beantragt bez. der Frage 
einer Aufnahme auch Bremens in den Zollverein beim Bundesrate, 
derselbe „möge dem Senate zunächst Gelegenheit geben, die Bedürf- 
nisse und Wünsche Bremens bez. der Modalitäten in kommissarischen 
Erörterungen darzulegen und zu begründen und so zu einer Ver- 
ständigung und Verhandlung Einleitung treffen"“. Die Antwort 
der Reichsregierung geht dahin, daß sie einen förmlichen Antrag 
Bremens gewärtigen wolle. Vorverhandlungen wie bei Hamburg 
werden dagegen abgelehnt. 
8. April. (Bayern.) Schluß der Session des Landtags, 
nachdem dieselbe ein volles halbes Jahr in Anspruch genommen hat. 
Das Resultat ist ein wenigstens teilweise befriedigendes. Die ultra- 
montane Mehrheit der II. Kammer hat die frühere Ministerstürzerei voll- 
ständig aufgegeben und sich mit sehr bescheidenen Erfolgen begnügen müssen. 
Was wirklich greifbar Nütziches geschaffen wurde, verdankt das Land der 
Initiative der Regierung, der Mitwirkung der I. Kammer und der Unter- 
stützung der liberalen Linken der II. Kammer. Dahin gehört die Gründung 
einer staatlichen Hagelversicherungsanstalt und einer Landeskultur-Renten- 
anstalt, die Reorganisation des Forstwesens, die Erhaltung des Notariats- 
instituts u. dgl. Dagegen ist die Ablehnung der durchaus notwendigen und 
zudem sehr mäßigen Anfbesserung der Beamtengehalte sehr zu bedauern und 
steht in offenem Widerspruch mit den Millionen, welche für Erbauung von 
voraussichtlich unrentabeln Bahnen bewilligt wurden. Freilich bieten diese 
Bewilligungen den klerikalen Abgeordneten eine greifbare Handhabe zur 
Wiederwahl, während die Aufbesserung der Beamtengehalte den Weg zur 
Neuwahl ihnen eher verschlossen hätte. Die Finanzlage ist eine nicht unbe- 
friedigende, das Budget konnte ohne steuerliche Neubelastung des Landes fest-
	        
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