Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1884. (25)

58 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 15—17.) 
der Kommission und der beiden lonservativen Fraktionen zu ihren Anträgen 
nichts auszusetzen. Die „Germania“ bemerkt, daß beide Landtagshäuser nach 
Art. 81 der Verfassung. das Recht haben, dem Ministerium ihre Wünsche 
kundzugeben. Die „Vossische Zeitung“ verweist auf das Recht des Landtages, 
Kommissionen zu ernennen und Minister anzuklagen. 
15. Mai. (Deutsches Reich.) Generalversammlung des Zen- 
tralverbandes deutscher Industrieller (Schutzzöllner) in Berlin behufs 
einer Meinungsäußerung über den Unfallgesetzentwurf. Sie wird 
in einer langen Resolution in 13 Punkten niedergelegt. An der 
Forderung eines Beitrags des Reichs zu den Kosten der Versicherung 
in dem von der Regierung früher beabsichtigt gewesenen Maße wird 
festgehalten, die Herabsetzung der Karenzzeit von 13 auf 4 Wochen 
und ebenso die Arbeiterausschüsse werden perhorresziert. 
Minister v. Bötticher gibt in der Versammlung wichtige Aufschlüsse 
über die Stellung der Regierung zu den Beschlüssen der Reichstagskommission. 
Er erklärt, die Regierung halte an den Betriebsgenossenschaften fest, ebenso 
an dem Umlageverfahren und an der 13wöchigen Karenzzeit. (Die Kommission 
hat auf Antrag der vereinigten Liberalen die Karenzzeit auf 4 Wochen her- 
abgesetzt.) Weder die Reichsregierung, noch die Regierungen der Bundes- 
staaten würden das Risiko übernehmen, welches darin liege, wenn man die 
Industrie in einer über die Notwendigkeit hinausgehenden Weise belaste. 
Schon deshalb könne dem Kapitaldeckungsverfahren nicht zugestimmt, sondern 
müsse das Umlageverfahren festgehalten werden. (Hier hat die Kommission 
zwar dem Umlageverfahren zugestimmt, aber auf nationalliberalen Antrag 
eine wesentliche Modifikation der Vorlage eintreten lassen.) Die in Betreff 
der Arbeiterausschüsse geäußerten Besorgnisse teilt der Minister nicht; die 
wahre Natur der Ausschüsse scheine noch lange nicht so gewürdigt zu sein, 
wie man bei der Vorlage dachte. Der geforderte Reichsbeitrag habe keinerlei- 
Aussicht auf Annahme. 
16. Mai. (Deutsches Reich.) Prinz Wilhelm wird vom 
Kaiser als sein Stellvertreter bei den Feierlichkeiten der Volljährig- 
keit des russischen Großfürsten-Thronfolgers nach Petersburg abge- 
sandt. Der Prinz ist der einzige Vertreter aus einem regierenden 
Hause. Alle anderen Mächte lassen sich durch ihre Botschafter ver- 
treten. Die Aufmerksamkeit wird in Petersburg sehr geschätzt. 
17. Mai. (Preußen.) Abg.-Haus: lehnt den Antrag Windt- 
horst auf organische Revision oder vielmehr Abschaffung der Mai- 
gesetze mit 168 gegen 116 Stimmen ab und ebenso die von den 
Konservativen beantragte Tagesordnung, die den Ultramontanen nicht 
genügt. Für den Antrag Windthorst stimmen das Zentrum und 
die Polen geschlossen, sowie 7 Konservative. In der Debatte spricht 
sich der Kultusminister sehr deutlich und sehr entschieden gegen alle 
weiteren Konzessionen aus, solange die Regierung nicht die nötigen 
Bürgschaften habe, damit auch zu greifbaren Erfolgen zu gelangen.
	        
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